New John Nissen, aus der Serie „Fashionable“ mit der Nummer MW 16. Marlene mit den treuherzigen, blauen Augen

New John Nissen, „Fashionable“, MW 16, Marlene (Inseratfoto)

„Sehr schönes Gesicht… ästhetisch gealtert…. rissige Hautstellen…. viele Hicke…. Schaufensterpuppe ca. 30-40 Jahre alt….“: so las sich das Inserat auf der Schweizer Verkaufsplattform im Frühling 2020, als ich trotz gebrochenem Sprunggelenk, immer wieder mal im Internet die Fühler ausstreckte, um nachzusehen, was noch in meine umfangreiche Mannequinsammlung gehören müsste. Und genau so wünscht man sich ein Inserat von Schaufensterpuppen, in dem akkurat die Schäden und der Zustand angegeben wird, wodurch man bereits im Vorfeld sich darauf einlassen kann, was einem erwartet, wenn man sie kauft und vor Ort abholt. Leider wird immer häufiger gemauschelt und betrogen, werden gar keine, oder falsche Angaben gemacht. Hier war alles völlig transparent, verdeutlicht durch aussagekräftige Fotos von den (vor allem von Laien) erkennbaren Schäden. Dabei unterscheide ich zwischen zwei Arten von Schäden: den augenscheinlichen und jenen, welche lediglich von Profis festzustellen sind. Da bin ich bei einem Kauf oft dann nachsichtig, wenn ich grundsätzlich hehre Absichten des Verkäufers erkennen kann. Das war hier der Fall; ein sehr nettes, junges Paar.

Ein aussagekräftiges Foto von den Schäden bei einer alten Schaufensterpuppe sagt viel über den Allgemeinzustand und den Wert der Figur, aber auch viel über die Ehrlichkeit des Verkäufers aus. Nicht selten werden Schäden nicht deklariert und in manchen Fällen verheimlicht. Beim Verkäufer dieser Figur war es genau umgekehrt: sehr transparent. Lackabplatzer und altersbedingte Haarrisse an Oberarmen und im Bereich der Brustpartie und angrenzende Zonen (Bild).

Über die Ästhetik einer Patina lässt sich natürlich streiten. Solche Haarrisse sind auch bei alten Gemälden vorhanden, die man ja extra so belässt. Kann man natürlich bei einer Schaufensterpuppe auch schön finden. Doch nach dem Kauf dieser wunderbaren und sehr seltenen New John Nissen-Figur aus der Serie „Fashionable“ mit der Nummer MW 16 und dem klangvollen Namen „Marlene“, wurde mir schnell klar, dass je nach Lichteinfall die Schäden im Brustbereich inakzeptabel für tolle Fotos sind und ich sie eines Tages nach eigenem Konzept professionell restaurieren lassen würde.

Je nach Lichteinfall können auch Haarrisse zu unerwünschten Schatten führen. Erste Fotos von „Marlene“ nach dem Kauf waren enttäuschend. So war die Idee geboren sie restaurieren zu lassen.

Der grosse Lackschaden am linken Fuss war zwar im Inserat nicht explizit erwähnt und ganz offensichtlich. Doch er war durch den Gesamtzustand erwartbar und vom Verkäufer nicht verheimlicht worden. Was dieser aber vor allem als Laie nicht erkennen konnte, dass das Modegeschäft, von dem er die Schaufensterpuppe vor Jahrzehnten gekauft hatte, die falsche rechte Hand montierte (siehe Bild), die nicht nur am Handgelenkt defekt war, sondern auch im Gesamtbild nicht wirklich ansprechend aussah.

Laien können nicht erkennen, dass – wie in diesem Fall – bei meiner Figur die rechte Hand von MW 13 („Rosalyn“) aus der selben Serie montiert wurde. Doch eine korrekte Hand, wie im Originalkatalog zu finden, ist nach rd. 45 Jahren eine grössere Herausforderung.

„Marlene“ (rechts im Bild oben / Originalkatalog) mit dem Seriencode MW 16 stützt ihre rechte Hand aus dem angewinkelten Arm heraus in ihre Hüften.

In meinem doch umfangreichen Ersatzteillager fand ich schliesslich die rechte Hand von „Barbara“ mit der Seriennummer MW 11 („Fashionable“), die meiner Meinung nach gut ins Gesamtkonzept der MW 16 passt. Und so wurde die Farbe für den Hautton gesucht, die gesamte Figur geschliffen und gespachtelt. Zuletzt kam das Makeup, wobei aber die Originalaugen von New John Nissen belassen wurden.

Ich fand diese Lippenfarbe von „Marlene“ im Originalkatalog nicht schön und hatte die Idee, ihr diese natürliche Frische der deutschen Schauspielerin Elke Sommer zu verleihen, die damals sehr berühmt war und ich in meiner Jugend natürlich kannte.

Freche, anziehende Ausstrahlung: so habe ich Elke Sommer in Erinnerung. Aber Virna Lisi schien mir während den wochenlangen Recherchen eine noch bessere Wahl zu sein. Ich tüftelte und sprach mich mit dem Restaurator ab. Ich wollte eine sinnliche Komponente hineinbringen, den Charme einer „Femme Fatale“, die einem mit ihren Reizen, mit dem Blick verführt. Dies mit einem Typus von Elke Sommer zu kombinieren und stets das Original von New John Nissen nicht aus den Augen zu verlieren, d.h. diese Ursprünglichkeit mit einzubeziehen, ist eine ziemliche Herausforderung. Das macht aber unheimlichen Spass, weil ich in dieser Zeit auch mal kurz von Virna Lisi abwich, dutzende Fotos von ihr im Internet fand und schliesslich auf sie zurückkam.

Virna Lisi in verführerischer „Femme Fatale“ Pose. Man erliegt ihrem Charme, verliert sich in ihren blauen Augen, die wie zwei kleine Seen am Fusse eines Gletschers einem darin versinken lassen, unendlich trunken, magisch. Aber ich wollte einen sinnlicheren, etwas modernere Lippenstift-Farbton, etwas weg von den damaligen Farben in den 70er-Jahren. Ich denke, das ist mir ganz gut gelungen. Gestern habe ich sie beim Restaurator abgeholt und die ersten Fotos gemacht.

Virna Lisi

Eines der coolsten Bilder, die ich von Virna Lisi im Internet fand! Eine klare Botschaft an die Männer der späten 70er-Jahre, die mehrheitlich üppige Körperbehaarung besassen und Bärte trugen.

Der Fund im Internet, der geradezu danach „schrie“ meine „Marlene“ MW 16 von New John Nissen restaurieren zu lassen: Broschüre mit „Marlene“ auf dem Bild, hinter einer männlichen Schaufensterpuppe mit Schnauzbart; typisch für diese Zeit damals – und sie schaut ihn argwöhnisch an.

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