In einem Zeitraum von rd. 50 Jahren haben weltweit über 30 Manufakturen Mannequins produziert. Sie wurden jeweils in mehreren dutzend verschiedenen Serien angeboten, um den Bedürfnissen der Kunden gerecht zu werden. Auch innerhalb einer Serie standen teilweise bis zu 24 Figuren mit unterschiedlichen Posen zur Verfügung, wobei noch zwischen mehreren Köpfen gewählt werden konnte. Bei einzelnen Boutiquen und exklusiven Modegeschäften spielte eine solche Diversität kaum eine Rolle. Aber bei den landesweiten Ladenketten, wie beispielsweise Karstadt (Deutschland) und Manor, sowie EPA (Schweiz) war dies aufgrund des Wiedererkennungswertes enorm wichtig. Kleider wurden mit Schaufensterfiguren des selben Herstellers und oft mit verschiedenen Posen aus der selben Serie präsentiert. Schliesslich sollte ein Kunde in einem Einkaufszentrum in München die selbe Vertrautheit mit dem Produkt erleben, wie in einer anderen Stadt. Dies führte auch dazu, dass die Marktführer der Mannequin-Hersteller jährlich komplett neue und den jeweiligen Modetrends angepasste Serien auf den Markt brachten und auf den zahlreichen Messen dem staunenden Publikum vorstellten. Dabei sind grundsätzlich vier Marken zu nennen: Adel Rootstein, Hindsgaul, New John Nissen und Almax. Da von diesen Manufakturen für den europäischen Markt die grösste Auswahl bestand, werden von den Sammlern diese in der Regel auch bevorzugt. Auch andere Gründe sind zudem relevant, nach denen sich eine Kollektion richtet.
Erwirbt man nun ein Konvolut mit mehreren Schaufensterfiguren, ohne Angaben zum Hersteller, oder zur Serie, dann kann man aus oben genannten Gründen ziemlich sicher einmal die damaligen Marktführer Rootstein, Hindsgaul, New John Nissen und Almax priorisieren, wenn es um die Identifizierung der einzelnen Figuren geht, wobei man sich u.a. auch mittels meines Beitrags hier im Blog unter dem Titel „ZEN in der Kunst ein Mannequin zu bestimmen“ orientieren kann.
Beitrag: ZEN, in der Kunst ein Mannequin zu bestimmen
Aber – wie sich immer wieder zeigt – auch versierte Sammler und Sammlerinnen stossen bei der Identifikation eines Mannequins immer wieder an Grenzen, wenngleich sie ein ansonsten mehr oder weniger breit angelegtes Fachwissen über einige tausend Puppen besitzen. Mit etwas Glück kleben noch die Labels an den Figuren, oder die Nummern der Serien sind am Kopf eingestanzt (teilweise bei Rootstein), oder mit Filzstift geschrieben (Innenseite der Schulterkupplung bei New John Nissen). Dies erleichtert die Suche nach der ursprünglichen Identität, welche man als Sammler den Figuren wieder zurückgeben möchte.
So sieht ein Konvolut vor dem Abtransport aus; und bei zwei Schaufensterfiguren habe ich natürlich sofort gewusst, aus welcher Manufaktur sie stammen und zu welcher Serie sie gehören, weil sie u.a. schon seit langem zuoberst auf meiner Wunschliste gestanden haben. Allen voran die „Grace“ aus der Serie „Beauties“ mit der Nummer PW11 von New John Nissen, die von der Firma Schläppi AG in der Schweiz in Lizenz hergestellt und für den hiesigen Markt vertrieben wurde.
Sie ist einfach eine traumhaft schöne Schaufensterfigur, die hier im Originalkatalog aus den 80er-Jahren mit einem echten Mann in Lederkleidung äusserst sinnlich abgebildet ist.
Auf dem Foto oben erkennt man nochmals das selbe Bild auf der Katalogseite mit der Angabe der Seriennummer (unten links, Grace, PW11).
Meine neue „Grace“ noch schmutzig, mit fehlender rechter Hand, falschen Armen und mit einem Riss am Abschluss des Torsos bei der Hüftverbindung, wie man unschwer feststellen kann. Aber sonst ist sie in Ordnung.
Die beiden falschen Arme sind auf der Innenseite der Schulterkupplung in blauer Schrift mit der Seriennummer „A12“ markiert. Nun besitze ich aber seit langem eine „Britt“ aus der Serie „Liberty“ von New John Nissen / Schläppi mit den falschen Armen und der Nr. „A12“:
Mein Blogbeitrag: „Die vier B’s“
Die Arme im Konvolut, die auch bei „Grace“ gut aussehen, sind eigentlich die originalen Arme der „A12“ aus der Liberty-Serie von New John Nissen / Schläppi.
Die nächste Schaufensterfigur ist auch eine New John Nissen / Schläppi AG aus den 80er-Jahren, in einem ordentlichen Zustand, mit einem Originalarm links, der aber klemmt und einem falschen „A12“-Arm rechts, wobei beide Hände fehlen. Es ist mit grösster Wahrscheinlichkeit eine „Sandra“ (die Köpfe sind sehr ähnlich) aus der Serie „Chic“, mit der Nummer BG9, von der ich u.a. bereits die BG1 und die liegende BG17 (Sarah) besitze, welche den Header meines Blog’s „Faszination Mannequins“ ziert.
Blogbeitrag: New John Nissen „Chic“, Sarah BG17
Die dritte Figur (leider ohne Arme und mit eingedellter Nase) ist aufgrund von Indizien zu 99,9% eine alte „Mitnacht“ aus den 60er-Jahren. Nirgends ist ein Seriennummer, oder ein Label zu finden, aber eine „Mitnacht“ erkennt man am Fussdorn und an der Hüfte.
Der Fussdorn der Standplatte ist rund und der wird in eine metallene Hülse unten an der Fusssohle eingeführt. Das eine Bein ist demontierbar. Zusätzlich sind die Beine getrennt, in der Mitte der Hüfte, wie bei Hindsgaul, aber innen verschraubt. Das Make-Up und der lachende Gesichtsausdruck deutet auf eine sehr alte Schaufensterfigur hin.
Zwei solche Mädchenfiguren sind im Konvolut dabei, alte originale Schläppi AG-Figuren, schätzungswiese aus den 70er-Jahren. Sie weisen skulpturierte Haare auf und mehrere sichtbare Gebrauchsschäden.
Eine etwas exzentrische New John Nissen / Schläppi mit der Seriennummer S6 nur mit einem Arm und ohne Hände war dabei…. und im selben Stil noch eine Stehende, die so defekt ist, dass sie entsorgt werden muss.
Dieses kniende Bein-Teilstück war auch dabei, das weder ein Label, noch eine Nummer, noch eine gestanzte Serienbezeichnung aufweist. Aber es hat ein Erkennungsmerkmal, welches ich bereits mehrmals in diesem Blog erwähnte, welches vorwiegend bei alten Almax-Schaufensterpuppen vorkommt: der metallene Verbindungsbolzen in der Hüfte dieser italienischen Nobelmarke ist durch jahrelange Einwirkung von Feuchtigkeit oft rostig, bis sogar durchgerostet, weshalb ich manchmal defekte Almax ankaufe, um die Ersatzteile zur Verfügung zu haben. Allenfalls habe ich noch einen passenden Torso.
Beim Kauf von Almaxfiguren aus den späten 70er- und frühen 80er-Jahren ist es ratsam den Verkäufer vorgängig zu bitten Fotos von diesem Verbindungsbolzen zu schicken, da die Figur ohne die Verfügbarkeit von Ersatzteilen zur Reparatur absolut wertlos ist.