ZEN in der Kunst ein Mannequin zu bestimmen

Wie bei allen industriellen Erzeugnissen, gibt es bei der Herstellung der Produkte sehr unterschiedliche Verfahren, sowie technische und ästhetisch-künstlerische Lösungen, um dem Fabrikat eine möglichst praktische Handhabe, aber auch eine Individualität zu verleihen, die im Sinne eines besonderen Wiedererkennungswertes im Gedächtnis haften bleiben soll. Im Verlaufe der Zeit haben sich durch die Entwicklung in der Mode und dem angepassten Zeitgeist zwei Grundfamilien von Schaufensterpuppen mit jeweils verschiedenen Stammbäumen entwickelt: die naturalistischen und die stilisierten Figuren, die entweder kopflos, oder mit einem gesichtslosen Eierkopf (Egg-Head) in den Schaufenstern in verschiedenen Farben stehen. Letztere sollten so wenig Individualität wie möglich zeigen, da angeblich das Käuferpublikum sich nicht mehr mit präsentierten Schönheitsidealen konfrontiert werden will, was in nachvollziehbarer Weise vor einer Kaufentscheidung eines Kleidungsstückes wesentlich die Hemmschwelle senkt. Irgend ein Designer liess irgendwann einmal den Kopf ganz weg, oder man fertigte 3/4-, sowie 1/2-Torsos an, welche dann eher wieder an die uralte und ehrwürdige Schneiderbüste erinnerte. Die verschiedenen Motive zur Verwendung von stilisierten Mannequins soll hier nicht erschöpfend untersucht werden, denn im Fokus stehen die anderen, welche der Natur menschlicher Züge doch viel näher kommen. Für manchen Sammler können sie nie nah genug sein, weshalb sie sich auf bestimmte Hersteller konzentrieren, deren Figuren den Bedürfnissen nach möglichst realem Bezug genügen und Prioritäten in ihrer Sammlung klar bestimmt und eingegrenzt sind. Selbst diesen meist sehr fachkundigen Leuten kann diese Webseite noch neue Informationen anbieten, aber zur Evaluation ihrer Lieblingsfiguren haben sie sich bereits in der Regel sehr viel Wissen angeeignet. Dieser Artikel richtet sich deshalb in erster Linie an Kaufinteressenten von Mannequins, die auf diesem Betätigungsfeld Laien sind und sich über das Produkt informieren wollen. Die Auswahlkriterien können sein: Alter der Figur, Schönheit und Erscheinung, sowie allenfalls Wertanlage.

Ist im Internet, z.B. bei eBay, eine Schaufensterfigur von einem professionellen Sammler zum Verkauf ausgeschrieben, enthalten die Angaben im Inserat meistens  der Hersteller, die Seriennummer, das Produktionsjahr und spezifische Eigenheiten. Natürlich ist das sehr angenehm; man kauft entspannt ein Mannequin. Fehlen aber sämtliche Angaben, oder sind falsch, dann kann dies eine rechte Herausforderung sein, vor allem, wenn der Verkäufer schlechte Handy-Fotos der Annonce beifügt. Umso mehr stachelt es mich oft an, in teils aufwendigen Nachforschungen und/oder in Einbezug meines Wissens, das ich über Jahre erworben habe, den Hersteller, die Serienbezeichnung und -nummer irgend wann in Erfahrung zu bringen, damit eine Zuordnung möglich ist. Wie ein Archäologe, der im Wüstensand bei Ausgrabungen eine Statue entdeckt hat, die er einer Epoche der Geschichte zuweisen will, versuche ich bei Inseraten wie „Verkaufe Schaufensterpuppe“ (ohne weiteren Angaben) den Hersteller und die Serienbezeichnungen des Mannequins herauszufinden. Das ist zuweilen eine echte Herausforderung, aber sehr spannend und immer öfters von Erfolg gekrönt, je tiefer und breiter die Erfahrung und das Wissen ist.

Die typischen Erkennungsmerkmale sind (den Markennamen zugeordnet):

Adel Rootstein (Grossbritannien): je nach Epoche Gravur der Seriennummer am Hinterkopf; silbernes Etikett auf der Innenseite der Armkupplung und Aufkleber am Gesäss „Adel Rootstein“. Bei Originalen sind zum grossen Teil noch die Nadeln ab Werk seitlich am Kopf sichtbar, die der Befestigung der Perücken dient und sogar Sammler zuweilen als „Schaden“ an der Figur deklarieren. Adel Rootstein-Figuren besitzen eine viereckige Glasstandplatte mit rundem Fussdorn, oder eckigem Wadendorn. An der Hüfte sind viele mit einem Vierkantsteckbolzen lose verbunden, nur einige besitzen ein dreiteiliges System mit Arretierung. Die Figuren sind in 7 Teile zerlegbar, wobei ein Bein und die beiden Arme bajonettartige Verschlüsse aufweisen. Ein deutliches Erkennungszeichen, welches die Bestimmung deutlich vereinfacht, ist die Vierkant-Steckverbindungen bei den Händen.

Hindsgaul (Dänemark): je nach Epoche Aufkleber „Hindsgaul“ im Kreuzbereich hinten über dem Becken, mit der Seriennummer (falls vorhanden). Durch runde Schulterkupplungen sind / waren die Arme z.B. innerhalb einer Serie, bzw. serienübergreifend austauschbar (Ende der 60er / 70er.Jahre). Das führte dazu, dass vor allem bei diesen Serien von Ende der 60er- und bis Mitte der 70er-Jahre, falsche Arme von Dekorateuren montiert wurden, was heute den Wert einer Schaufensterpuppe bis zu 3/4 ihres Zeitwertes mindern kann. Teilweise sind die Seriennummern auf der Metallmanschette innenseitig der Kupplung bei der Schulter schwarz gestempelt. Eine vierstellige Seriennummer ist immer weiblich und bei einer dreistelligen Seriennummer handelt es sich um eine männliche Figur. Das wohl augenfälligste Merkmal ist die Teilung der Beine, wobei ein T-Profil aus Hartplastik senkrecht in ein U-Profil aus Metall eingeführt wird und in ein Kugellager einrastet, um so die Stabilität zu gewährleisten. Auf der unteren, in diesem Sinne aus zwei Teilen bestehenden Metallplatte ist oft ebenfalls die Seriennummer schwarz gestempelt. Bei der Serie „Deauville“ ist der Querbalken des T-Profils aus Hartplastik so dünn, dass es eher brechen kann. Alle anderen Verbindungsteile der Schliessmechanik sind ab einer Zeit von ca. 1976 an (Serie „International“) untereinander kompatibel. Diese Konstruktion gab es vor 1976 nicht. Die Figuren sind in 7 Teile zerlegbar. Die Hände haben einen Bajonettverschluss.

New John Nissen (Belgien) / Schläppi (Schweiz): je nach Epoche äusserst realistische Formgebung. Bei gewissen Serien sind sogar die Brustwarzen detailgetreu ab Werk modelliert und auf den Handrücken beispielsweise sind Venen, Adern und Sehnen naturgetreu ausgearbeitet. Ältere Figuren aus den 70er-Jahren haben meist eine dunkle, bräunliche Kolorierung, mit einer eher rauen Oberfläche, während jüngere Mannequins aus den 80er-Jahren eine hellbeige Hautfarbe besitzen, mit glatter Oberfläche (wenn sie original von New John Nissen stammen) und einer etwas weniger glatten Struktur, wenn es sich um eine Figur handelt, die baugleich von der Firma Schläppi in der Schweiz in Lizenz hergestellt war. Diese Mannequins sind ebenfalls in 7 Teile zerlegbar und die Hände weisen den selben bajonettartigen Mechanismus auf, wie jener bei Hindsgaul. Durch die Verwendung des Werks einer nicht UV-restistenten Lackierung der Augen, vergilbt diese Beschichtung mit viel Licht und fortgeschrittenem Alter zunehmend.

Almax (Italien): Es sind je nach Herstellungsepoche mehr oder weniger naturalistisch wirkende Figuren. Sie sind zum Teil die schwersten und stabilsten Schaufensterpuppen, die es gibt. Bei Feuchtigkeitseinwirkung rosten bei älteren Serien die Metallteile bei der Hüftverbindung. Der Vorteil ist, dass sich die einzelnen Komponenten innerhalb einer alten Serie austauschen lassen. Sie sind im Gegensatz zu neueren Serien kompatibel. Die Figur ist in 7 Teile zerlegbar und die Hände weisen einen Gewindebolzen auf, wonach sie in ihr Gegenstück hineingedreht werden müssen. Dieses ist in einer Ummantelung aus Hartplastik eingearbeitet, welche mit dem Alter spröde wird und zerbröckelt. Eine Reparatur, oder ein Austausch der Teile ist unumgänglich. Die meisten älteren Figuren haben ein gestanztes, viereckiges „Ai“ (steht für „Almax International“) Label bei den Schulterkupplungen und / oder der Hüftverbindungen innenseitig. Zu den deutlichsten Erkennungszeichen älterer Serien sind die sehr weiblichen Körperproportionen, sowie die Kolorierung der Finger- und Fussnägel und der Brustwarzen ab Werk. Ganz im Sinne der Mode in den 60er- und 70er Jahre sind die älteren Almax-Mannequins mit dem die Augen betonenden dunklen sog. Smokey Eye-Lidschatten geschminkt. Dieser Look ist sowohl glamourös und elegant, als auch verrucht und sexy. Die neuen, teilweise noch erhältlichen Mannequins sind weiss koloriert, mit einfach bemalten Augen.

Jung-Figuren (Deutschland): Diese Mannequins sind je nach Epoche hinten am Gesäss mit einer eingestanzten Seriennummer im Format xx-xxx versehen. Im Gegensatz zu den schweren Almax-Figuren sind Jung-Figuren leicht und dünnwandig, weshalb sie auch viel zerbrechlicher sind. Die in einem flachen Winkel abstehenden Vierkantbolzen mit Drehkränzen an der Schulterkupplung, passen in einen entsprechenden Schacht in Schräglage seitens des Torsos. Bei den älteren Serien sind die Abschlusskapseln an den Schultern rund, um eine breite Kompatibilität der verschiedenen Modelle untereinander zu gewährleisten, wie es bei Hindsgaul und Almax der Fall war. Man kam mit der Zeit von dieser universalen Form ab. Auffallend viele Jung-Figuren lächelnd, oder lachen und versprühen Fröhlichkeit und Freude am Leben. Die Hauttyp ist durchwegs hellbeige und nordisch-europäisch (skandinavisch-mitteleuropäisch), wodurch man mit Perücken in blond beim stylen kaum falsch liegen kann. Der Fussdorn ist rund und meist auf einer runden Glasplatte montiert.

Moch (Deutschland): Die meisten Moch-Figuren sind mit einem Spritzgussverfahren hergestellt. Sind sie nicht von Sammlern später koloriert worden, erkennt man sie an der völlig anderen Haptik sofort. Das bei der Produktion vorwiegend verwendete, braune Plastik fühlt sich etwas minderwertig an, ist aber in hohem Masse bruchfest im Vergleich mit Mannequins anderer Hersteller. Bei diesem Herstellungsverfahren entstehen an den Rändern der zusammengefügten Hartschalen optisch sehr störende Nähte, welche auch aufwändig herunter geschliffen werden können, damit sie bei Fotoaufnahmen nicht mehr zu sehen sind. Bei überarbeiteten Figuren sieht man diese nicht mehr. Die Hände sind aus einem weniger harten Material hergestellt und innen hohl, was ebenfalls die Bruchfestigkeit erhöht. Leider ist die Farbe mit jener des Körpers nicht abgestimmt und dunkler, was anspruchsvolle Sammler in der Regel stört. Hinten im Kreuzbereich des Rückens besitzen die Figuren entweder ein grosses, oder ein kleines Loch, woran man das Alter der Figur einschätzen kann. Beim früheren grossen Loch wollte man der Hand den Zugang zur speziellen Mechanik bezüglich der Verbindung vom Körperoberteil mit den Beinen ermöglichen und bei den späteren Modellen wurde der Lochdurchmesser auf die Gewindebreite einer rücklings eingesetzten Schraube reduziert. Dabei blieb aber die Idee der Mechanik erhalten, die sich jedoch langfristig nie durchsetzen konnte und nur in einer leicht veränderten Version von der Schweizer Firma Schläppi übernommen wurde (sehr frühe Serien). Der auf dem Beckenboden montierte Kugelgelenkbolzen ist bis zu einer Neigung von rd. 35° Grad aus der Senkrechten rundum schwenkbar. Der in der Grundstellung sonst an der Kante bündige Torso kann so verschiedene Stellungen des Körpers einnehmen, wozu er in der Neigeposition angehoben und arretiert werden muss. Bei den älteren Mannequins von Moch geschieht dies durch eine Flügelmutter und bei den jüngeren Figuren steht eine normale Metallschraube am Rücken zur Verfügung, die mit einem grossen Schraubenzieher angezogen wird. Beim Kauf einer Moch-Figur sollte man also darauf achten, dass entweder die Flügelmutter, oder die Schraube vom Verkäufer mitgeliefert wird, ansonsten Wertminderung geltend gemacht werden kann und ein Gang zu Eisenwarenfachhändler unumgänglich wird.

Patina V (USA): Die in Europa eher selten zu findenden Mannequins aus Nordamerika sind bei einigen Sammlern sehr beliebt.

Hinweis: dieser Beitrag wird fortlaufend erweitert und ergänzt. Es lohnt sich also hier immer wieder einmal einen Blick hinein zu werfen (02.06.2018)

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: