Kürzlich erst im Internet entdeckt, war ich sofort von dieser phantastischen Uhrenwerbung aus dem Jahre 1970 von „Timex“ hell begeistert und möchte hiermit meine Themenreihe „Mythos von Pygmalion“ mit Teil 01 beginnen. Vielleicht noch kurz vorangestellt die Skizzierung des berühmten Pygmalion aus Ovid’s Sage: darin wird erzählt, dass der Bildhauer Pygmalion von den Frauen enttäuscht gewesen sei und sich hernach in eine seiner Schöpfungen (Statuen) verliebte. Der Legende nach bat er die Göttin der Liebe, Venus, um Unterstützung, wonach sein Traum wahr werden sollte, seine Auserwählte möge lebendig werden. Beim Sammeln von Schaufensterpuppen, taucht in der einen oder anderen Situation der Gedanke daran in gewissen Momenten auf, da aus einem idealisierenden Grundbedürfnis heraus das Streben nach Perfektion im Vordergrund stehen kann. Ein Ebenbild des Menschen wird dann zum Ideal, wenn es lebendig wird. Natürlich soll Pygmalion mit seiner Statue aus weissem Marmor, die Venus zum Leben erweckte, auch Sex gehabt haben. Aber es geht in dieser Sage nicht primär um diese Handlung; das wäre viel zu banal. Im Grunde geht es um das Verliebtsein in sein eigenes Werk, als Vollendung der sich selbst zugestandenen, unübertrefflichen künstlerischen Fähigkeiten. Dies kann falsch eingeschätzt und übertrieben sein. Kritik initiiert auch ein Wachstumsprozess, der beim Erreichen der idealisierten Schöpfung aufhört zu existieren. Deshalb versuche ich den immer wieder hervorbrechenden, neuen Ideen zur Gestaltung meiner Schaufensterpuppen Raum zu geben. Das machen auch Sammlerinnen, also nicht nur männliche Kollegen, die dann eine Art weiblicher Pygmalion sind (wenn man diese Bezeichnung so stehen lassen kann). Die Voraussetzung ist für beide Geschlechter gleich: man taucht gedanklich in eine Fantasiewelt, wonach Mannequins in der Vorstellung zu virtuell lebenden Menschen werden.
Link: Legende Pygmalion, Projekte Kunstgeschichte
In diesem oben aus Youtube verlinkten Werbevideo von der Uhrenfirma „Timex“ aus dem Jahr 1970, wird die Pygmalion-Idee aufgenommen: die drei Mannequins in einem Verkaufsraum seien sehr glücklich, verrät der Sprecher im kurzen Clip, aber ihnen würde zum perfekten Glück noch eine Uhr von der Firma „Timex“ fehlen, weshalb sie auch sehr betrübt sind. „Once upon a time…“ – „Es war einmal….“ erzählt die Geschichte, wie sie lebendig werden und sich aus der Auslage die schönsten Uhren aussuchen. „Und eines Nachts waren sie ganz alleine….“



Einfach fantastisch und absolut sehenswert, alleine schon durch die leider in die Jahre gekommenen und etwas unscharfen, traumähnlichen, berauschenden Bilder, die einem an die psychodelischen Rock- und Pop-Musikclips der 60er- und 70er-Jahre erinnert. Der Werbefilm aus dem Jahre 1970 hält natürlich dem Vergleich mit neueren Produktionen nicht stand. Aber genau dieses Feeling der damaligen Zeit, welches ich selber erleben durfte und das dem späteren Musical und Kult-Film „Hair“ acht Jahre danach vorweggenommen scheint, kommt in gewisser Weise perfekt zum Ausdruck; bild-, schnitt- und musiktechnisch für mich ein avantgardistisches Meisterwerk, bewusst tiefgründig etwas ironisch, überzeichnet, vor allem mit den pantomimenhaften Bewegungen der lebendig gewordenen Schaufensterpuppen der Unvollkommenheit ihren Raum lassend. Wenn man genau hinschaut, entdeckt man dieses „Glanzlicht“ in den Szenen, wo die vordere rote Figur bei der Drehung nach links um die eigene Achse, diese typische, für damalige Verhältnisse provokative Twiggy-Pose (siehe Bild unten) einen kurzen Moment lang einnimmt.

Twiggy https://www.pinterest.de/pin/311381761738771030/
Twiggy – oben links im Bild die Echte und rechts davon die damals von der Firma Adel Rootstein nach ihrem Ebenbild produzierte Schaufensterpuppe – galt in ihrer Zeit als perfekten Körper, was sich mit den durchtrainierten Body’s der 80er-Jahre später radikal änderte (siehe „Wikipedia / Twiggy / Diana Vreeland von der US-Vogue“).
Auch in dieser Szene im „Timex“-Werbefilm will ich eine versteckte Ironie in der überzeichneten Nachahmung der Twiggy-Pose erkennen, ohne dass sie lächerlich wirkt. Ich musste schmunzeln!
Bis heute ist Twiggy eine Mode-Ikone und die alte Schaufensterfigur aus den späten 60er-Jahren eine Rarität. Deshalb hat die Firma Bonaveri in Italien wieder eine moderne Twiggy im Sortiment (siehe Bild).

Twiggy (oben) erlebt derzeit gerade eine Wiedergeburt. Bonaveri hat sie wieder in sein Programm aufgenommen, auch mit derselben typischen Pose, aber mit völlig anderen technischen Elementen (wie ich mir sagen liess). Neue Teile, wie Arme, Hände usw., passen nicht zu den alten Figuren. https://www.fashion-net-duesseldorf.de/en/pagedetailed-230.html?shid=62
Pygmalion würde nach der zeitlosen Schönheit suchen. Hätte er Twiggys Erfolg voraussagen können? Vielleicht hilft uns ja der Werbefilm von „Timex“, diese Frage zu beantworten…..