Bergdorf Goodman’s Zauberwelten. Berluti und die Kunst des Weglassens.

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Bergdorf Goodman Schaufenster

Wenn es darum geht, hochwertige und entsprechend auch etwas kostspieligere Kleidung und Modeaccessoirs in New York einzukaufen, ist man bei Bergdorf Goodman in der 5th-Avenue an einer der nobelsten Adressen der Welt. Um die Weihnachtszeit werden jedes Jahr die Schaufenster mit aufwändigen Installationen ausgestattet, in denen Mannequins ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Regelrechte Traum- und Märchenwelten werden in den zur Verfügung stehenden, räumlich begrenzten Auslagen aufgebaut. Es glitzert und glänzt und sei typischerweise so opulent ausgestattet, dass sich die Augen fast nicht satt sehen können und man immer wieder etwas Neues entdecke, schreibt Anne auf ihrem Blog „Ritournelle“ (Link oben). Den äusserst kreativen Ideen sind kaum Grenzen gesetzt, wie das untere Bild mit den beiden Hirschen unter dem Thema „They’re alive carneval of the animals“. 

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Es ist die äusserst witzige und faszinierende Umsetzung der Erzählungen mit dem Titel  „Karneval der Tiere“. Ursprünglich schrieb Camille Saint-Saens (1886) die Musik, zu der später lustige Geschichten erfunden wurden.

Karneval der Tiere, Musik CD

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Viridia (flickr), Window scales

Wahrhaft bezaubernd, dieses Mannequin im Bergdorf Goodman Schaufenster, mit dem verträumten Blick und dem silbernen Paillettenkleid. Es könnte eine Rootsteinfigur sein.

Wer den umfangreichen und hochwertigen Bildband über die Schaufensterkunst von Bergdorf Goodman direkt bestellen möchte, liest den Hinweis, dass dieses Buch bereits vergriffen ist.

Das Buch „Windows at Bergdorf Goodman“ ist hier nicht mehr bestellbar

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Gemäss „Amazon“ gibt es aber noch drei Stück für je US$ 2’075.-.

Amazon: „Windows at Bergdorf Goodman“

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Berluti (Bergdorf Goodman Schaufenster) bei „Trends on your hands“

Als ich heute erstmals auf die Webseite „Trends on your hands“ kam, war ich hingerissen von dieser enormen Kreativität einiger Schaufensterdekorateure. Eine Installation stach mir besonders ins Auge, weil sie sehr plakativ gestaltet ist. Sie wirkt enorm surrealistisch mit dem Verzicht auf Perspektiven, wobei die Schatten des Podestes und des Eiffelturms die nötige Tiefe erzeugen. Ich finde diese Art der Kunst des Weglassens grandios, in der sogar das Mannequin fehlt, das die ausgestellte Kleidung tragen sollte. Nicht einmal eine abstrakte Figur, wie z.B. eine Schläppi-Bonaveri, wird eingesetzt. Es ist ein für Berluti bei Bergdorf Goodman kunstvoll gestaltetes Schaufenster.

Aber welcher Unsichtbare steckt denn in dieser Kleidung, welcher mit Pfeife und Hut so eigenartig nach vorne gebeugt auf einem Podest vor der Kulisse von Paris steht? Das ist genau der Punkt im Wesen der Kunst des Weglassens, wodurch unsere Phantasie dieses Leere ausfüllt und unser Geist durch unser Wissen zu assoziieren beginnt. „Aha!“ dachte ich sofort, als ich dieses Foto auf der Webseite anklickte, um es vergrössert betrachten zu können. „Hut, Pfeife, schräg…; das ist doch Jacques Tati im Film ‚Mon oncle‘, der steif und mit seinem Oberkörper vornübergebeugt durch den futuristischen Garten seines Onkels stakt.“ überlegte ich weiter, mich daran erinnernd, dass ich kürzlich ein rotes Filmplakat von „Mon oncle“ (aber mit anderen Sujets) im Wartzimmer einer Ärztin an der Wand sah. Das sind aber genau Tati’s Markenzeichen, die ich oben aufzählte und die mir sofort als erstes in den Sinn kamen.

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Poster „L’incroyable Tati“ (Der unglaubliche Tati)

Jacques Tati ist wirklich eine unglaublich beeindruckende Persönlichkeit und sein Film „Mon oncle“ ein überragendes, auch verstörendes cineastisches Meisterwerk, eine die Zukunft vorwegnehmende Vision in Bezug auf eine Technik, die mit der Zeit nicht mehr vom Menschen beherrschbar sein würde – was inzwischen Jahrzehnte später zu einer teilweise beängstigenden Realität geworden ist.

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Filmplakat von Pierre Etaix (1959)

Die oben bereits erwähnten Attribute „Hut, Pfeife und Körperhaltung“ sind so zu Tati’s Markenzeichen geworden, dass sogar ein Strichmännchen sofort verrät, wer damit gemeint ist, wie das Filmplakat von Pierre Etaix aus dem Jahre 1959 verdeutlichen soll.

Doch diese geniale Installation bei Bergdorf Goodman, im Schaufenster für Berluti Paris, evozierte neben den Begriffen für Tati und „Mon oncle“ in meinem Geist noch andere Bilder: „René Magritte! Natürlich der gesichtslose Mann mit Hut. Sehr surreal, aber nicht vergleichbar mit dem Ausdruck bei Salvador Dali, sondern eben typisch Magritte, mit seiner Kunst des Weglassens, die uns die Freiheit in unseren Gedanken lässt, das Fehlende im persönlichen Spektrum des Wissens und der Überzeugungen auszufüllen, um so der Kreativität viel Raum zu gewähren.“ Selbstverständlich besitze ich keinerlei Informationen über die Motive des Dekorateurs von Berluti’s Schaufenster bei Berghof Goodman. Die Übereinstimmung aber mit meinen Tati-Argumenten finde ich derart überzeugend, dass ich nicht an einen Zufall glauben kann. Auch ein Magritte-Einfluss ist ziemlich offensichtlich…..

 

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Auktionsverkauf eines René Magritte-Bildes, ohne Titel (unsichtbarer Mann mit Hut und Pfeife)

Es mag nun eine bewusst eingesetzte Allegorie sein, hinter welcher sich die eigentliche Aussage der Berluti Installation verbirgt. „Als sprachlicher oder künstlerischer Ausdruck ist eine Allegorie von vorneherein auf ihre Deutung hin konstruiert. Vom …. Betrachter erfordert die Allegorie einen Gedankensprung (Assoziation = eine bewusste oder unbewusste Verknüpfung von Gedanken) vom Gesagten oder bildlich Dargestellten zur gemeinten Bedeutung. Wenn der Betrachter nicht vertraut ist mit den geistigen oder historischen Zusammenhängen, aus denen die Allegorie heraus konstruiert wurde, bleibt ihm ihr Sinn oft verborgen.“ (Wikipedia „Allegorie“).

Wikipedia „Allegorie“

Wer den Film von Jacques Tati „Mon oncle“ kennt, wird mir möglicherweise zustimmen, wenn ich behaupte, dass Jacque Tati die typisch französische Nonchallence vertritt. Sie ist zwar auf verschiedene Arten begreifbar und reicht von Unbekümmertheit und lässig, bis zu einem Benehmen, über andere Menschen hinwegzugehen und nicht gerade sehr umgänglich zu sein. Doch diese „liebenswürdige Nachlässigkeit“, wie sie auch bezeichnet wird, hat durchaus Charme, vor allem wenn Tati den völlig  durchstrukturierte Onkel und Geschäftsmann damit manchmal zur Verzweiflung bringt.

 

 

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