Wenn man vom „Mannequins-Virus“ angesteckt ist, bedeutet „Freizeit“ jene Zeit, in der man zur „Entspannung“ im Internet surft. Surfen ist ja auch eine sportliche Betätigung ;-). Bei der Denkleistung werden ebenso Kalorien verbraucht, ähnlich wie beim Joggen im Wald. Nur dort verbrennen sie die Muskeln und man befreit den Kopf; und beim surfen im Internet entwickelt man Strategien, um an die wertvollen, teilweise versteckten, sehr schwer zugänglichen Informationen heran zu kommen. Das ist Arbeit, ganz besonders in einem Wissensgebiet, in welchem das Spektrum durch weitgehendst fehlende Literatur sehr eingeschränkt ist. Dieses Blog will ja diesem Mangel entgegenwirken.
In der Zwischenzeit habe ich gelernt, wie man sich in diesem riesigen Informationspool, welcher das Internet anbietet, zurecht findet, um Informationen über Mannequins zu erhalten. Selbst wenn man immer wieder bereits bekannten Bilderreihen begegnet. sind auf den „zweiten Blick“ Dinge zu entdecken, die beim „ersten Blick“ übersehen wurden.
So ging es mir mit diesem Schwarzweiss-Foto aus einer Broschüre von der Hindsgaul-Serie „Group2“ von 1968:
flickr, Serge o., Hindsgaul Broschüre von 1968, Serie „Group2“
Die etwas zu geometrisch angeordneten Blüten am Boden mögen noch nicht an die wilde Zeit der 68er erinnern. „Flowerpower“ bedeutete „Ausbrechen aus den Konventionen von Erziehung und Alltag“. Doch auch diese aus heutiger Sicht „braven“ jungen Männer mit ihren Gitarren waren cool und „outlaws“, selbst mit Krawatte und in Bundfaltenhosen gekleidet, womit sich heute nicht einmal mehr Sonntagsschüler in die Kirche getrauen würden. Die Texte wurden provokanter, die Musik schräger. In den darauffolgenden Jahren kam Hard- und Metallrock auf und Alice Cooper u.a. schrieben Musikgeschichte. Die Bärte und Haare der Musiker wurden länger und länger; die „gepuderte Nase“ bekam eine zusätzliche Funktion usw. Beim zweiten Blick sah ich auf dem Foto die Herrenfigur mit der Bierflasche in der rechten Hand und im Mund steckt tatsächlich eine Zigarette! Eine solche Broschüre wäre heute völlig undenkbar! Von den „braven“ Mädchen auf dem Bild, die damals artig und zufrieden lächelnd Zuhörerinnen verkörperten und sie nicht als Teil der Band verstanden werden sollten – soweit war die Gleichberechtigung noch nicht fortgeschritten -, fiel mir die Kniende ganz rechts im Vordergrund der Annonce zur Ausstellung „Euroshop 1968“ besonders auf. Die Haltung ist speziell und das Gesicht wunderschön, mit diesen zarten Gesichtszügen und den treuherzigen Rehaugen. Hier eine Vergrösserung:
Genau die wollte ich! Nur, wie kommt man zu einer solch tollen Figur, die nicht mehr als der Name des Herstellers und die Bezeichnung der Serie („Group2“) preisgibt, sowie die spezielle Haltung die Suche etwas einzuschränken vermag, denn kniende Mannequins sind sehr selten, im Gegensatz zu sitzenden, liegenden und vor allem stehenden Figuren.
flickr, Serge o., Artikel „Rückblende“ bezüglich der EUROSHOP 1968 in Düsseldorf
Nach dieser Ausstellung „Euroshop 1968“ wurde eine kurze Rückblende veröffentlicht, in der es heisst: „Nicht nur wegen des grossen und bestechend schönen Mannequin-Angebots, sondern wegen der hervorragenden Aufmachung.“ sei der Hindsgaulstand von einigen EUROSHOP-Besuchern hoch gelobt worden. „Ganz in weiss gehalten waren Stand und Mannequins. Farbiges Licht und das Make-up der Mannequins betonten die Schönheit des Weiss.“ Diese Beschreibung fordert nun unsere Fantasie, weil lediglich dieses eine Bild des Hindsgaulstandes in Schwarz-Weiss aufzufinden ist.
Letzte Woche entdeckte ich dieses einzige Handybild (siehe weiter unten) auf einer Verkaufsplattform und ich wusste sofort, mit 99,9%-iger Sicherheit, dass es die Kniende aus der „Group2“-Serie sein musste und kaufte sie sofort. Die eine Schulter hat einen Riss, überall sind Abplatzer und der eine Arm fehlt, während der vorhandene rechte Arm von einer anderen Figur stammt. Das war mir egal. Ich suchte seit Jahren diese Kniende von der Hindsgaul-„Group2“-Serie und hatte die Chance eine zu erwerben. Bei der Abholung in Zürich konnte ich sie dann zu 100% identifizieren
Nun ist von der knienden Schaufensterfigur aus der „Group2“-Serie von Hindsgaul auch die Seriennummer erstmals bekannt, da in Archiven nichts mehr auffindbar ist. Es ist die Nr. 6808.
Dieses typische Blau des Lidschattens, das man in den 60er-Jahren verwendete, kann bei der Identifikation einer Schaufensterfigur helfen. Dieses sog. „Smokey-eyes“-Make-up muss man sich also vorstellen, wenn in der zitierten Rückblende von der EUROSHOP 1968 „farbiges Licht und das Make-up“ erwähnt wird, welches das Weiss unterstützt habe. Es ist also zu 100% ein Original-Make-up, 50 Jahre alt und in einem guten Zustand. Die Puppe muss jetzt gereinigt werden, bekommt bei Gelegenheit ein Make-over und wird wieder in altem Glanz erstrahlen.
Hallo, frohe Weihnachten!!!, und herzlichen Glückwunsch zum Erwerb der fantastischen, seltenen Figur. Gerade die richtig alten Figuren von Hindsgaul haben ja eine sagenhafte Ausstrahlung. Und dann noch mit original Make-up, das nicht irgendwann mal „verschlimmbessert“ wurde (ganz schlimm, aber oft gesehen: Brauen mit Edding gemalt..). Das ist wirklich schön, und fehlende Arme, Risse und Macken stören mich bei einem solchen Kauf auch nicht. Gerade die Arme mit dem runden Armansatz kann man relativ problemlos ergänzen. Ich hole übermorgen eine bodensitzende Figur (vermutlich Hindsgaul) über ebay Kleinanzeigen ab. Die Figur sieht auf den mageren zwei Bildern sehr gut aus, wurde allerdings fehlerhaft zusammen gesetzt. Das hat man ja sehr häufig:) Die Figur hat modellierte Haare.
Ein Bild der neuen Figur ohne Bekleidung wäre noch schön, mich interessiert, wie die Beine befestigt sind. das hat Hindsgaul über die Jahre immer mal wieder verbessert.
Wieder vielen Dank fürs Teilhaben lassen, und herzliche Grüße in die Schweiz
von Anette
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Hallo Anette. Vielen herzlichen Dank für Deine lieben Weihnachtsgrüsse!!! Auch Dir wünsche ich frohe Festtage und vor allem viel Freude an Deiner neuen, bodensitzenden Schaufensterfigur (Hindsgaul?!)! Jaja, die Beine bei den alten Hindsgauls….. Die sind mit Vierkantbolzen gesteckt, wie bei meiner 8015…
https://faszination-mannequins-schaufensterfiguren.blog/2018/03/03/sitzendes-mannequin-nr-8015-aus-der-hindsgaul-serie-von-1968-on-the-seaways/
Da habe ich schon einen Heidenrespekt davor gehabt, bei ihr die Beine abzukoppeln, vor allem weil ich eine 8422 kaufte, die am Sattelstück links bereits ausgerissen war (was der holländische Verkäufer verschwieg). Aber es ist ja nicht sichtbar. Dennoch ist es heikel…. Item: ich musste lachen :-D… wegen Deinem „Brauen mit Edding gemalt“. Ich kaufte mal eine „Sandra“. Die sah aus wie ein Clown. Aber die Beine waren ok. So habe ich aus zwei defekten Sandras eine gemacht…Passt! So kaufte ich auch mal eine „La Femme“ für EUR 10.-. Meine neue 6808 bekommt vermutlich nun die „La Femme“-Arme (beide gestreckt), die ja durch den alten Bolzen und die runden Armkupplungen absolut kompatibel sind.
Ich freue mich immer wieder über Deine interessanten Kommentare und wünsche Dir ein erfolgreiches Neues Jahr 2019. Ganz liebe Grüsse
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