Projekt 8006: Die Restaurierung einer alten Hindsgaul „On the seaways“ aus dem Jahr 1972, mit der Seriennummer 8006

Hindsgaul „On the seaways“ 8010 mit lachendem Gesicht und gespreizten Armen, im Gegensatz zur 8006 mit ebenfalls lachendem Gesicht, aber mit verschränkten Armen.

Die Hindsgaul „On the seaways“ mit der Nummer 8010 ist einfach definitiv eine meiner Lieblingsfiguren. Sie versprüht Lebensfreude, Herzlichkeit, ja gar eine Art Unbeschwertheit, mit ihrem fröhlichen Lachen. Sie gibt ein Lebensgefühl wieder, das ich in meiner Jugend teilweise erleben durfte, als plötzlich in der Unterstufe ganz junge Lehrer mit uns Kindern auf der Gitarre Lieder spielten. Eine Art „Mini-Woodstock“ im Klassenzimmer; und die 8010 stellt für mich eine Art Remineszenz an diese Zeit anfangs Pubertät dar, als ich ganz fest in Brigitte Bardot verliebt war und natürlich ein wenig in meine junge, hübsche Lehrerin, auch weil sie ganz fest daran glaubte, dass aus mir eines Tages etwas werden würde. Das war 1972 – und sie sollte recht behalten. Die „On the seaways“-Serie von Hindsgaul wurde ebenfalls im Jahre 1972 produziert und auf den Markt gebracht. Die 8010 (siehe auch Link zu einem älteren Artikel über diese Figur) bekam von mir dann dieses hübsche, hellblaue Kleidchen, die Halskette mit dem Blumen (Flowerpower) und die Herzchen-Sonnenbrille, was ihr Ausdruck noch verstärkt.

Katalogbild aus dem Jahr 1972 von einem Hindsgaul-Mannequin aus der Serie „On the seaways“ mit der Seriennummer 8010, neben der sitzenden 8016.

Beim oben abgebildeten Katalogbild der Hindsgaul „On the seaways“ 8010 ist die offene Pose, mit den ausgebreiteten Armen gut sichtbar, wie auch bei einem Schwarzweiss-Foto aus anfangs der 70er-Jahre, wo sie im Scheinwerferlicht in einem Laden neben der sitzenden 8015 aus der selben Serie steht, welche ich ebenfalls besitze und aktuell gerade restauriert wird.

Links im Scheinwerferlicht eine Hindsgaul „On the seaways“ 8010 mit den ausgebreiteten Armen – offene Pose.

Im Gegensatz zu dieser Pose mit ausgebreiteten Armen, wurde quasi die selbe Figur (Torso und Beine) mit verschränkten Armen produziert: die 8006.

Hindsgaul „On the seaways“ 8006, ebenfalls mit lachendem Gesicht, wie die 8010, aber mit verschränkten Armen.

Mir gefällt die 8006 aus der Serie „On the seaways“ von Hindsgaul auch sehr gut, aber sie ist noch seltener als die 8010, die ja bereits extrem selten ist – es gibt von ihr weltweit, nach meiner Einschätzung, vielleicht noch 5 Exemplare. Da ich mit fast allen Sammlern rund um den Globus vernetzt bin und ich deren Sammlungen kenne, weiss ich, dass eine 8010 in England in einer Sammlung und eine in Moskau. Aber von einer 8006 habe ich noch nie gelesen und noch nie mehr ein Bild gesehen, auf denen sie korrekte Arme, wie im Originalfoto hätte. Das Problem: die Schulterkupplungen sind kreisrund und die Bolzen über mehrere Serien identisch. D.h. die Schaufensterdekorateure, generell die Nutzer der Mannequins, tauschten die Arme, weil sie entweder eine eigene Version der für sie nützlichen Pose brauchten, oder sie unbedacht und ohne den Katalog zu konsultieren, einfach beliebige Arme an die Schultern hingen, was natürlich viel schneller mit weniger Aufwand zu bewerkstelligen war. Bei diesem Foto (unten) eines Schaufensters aus dieser Zeit ist besonders für einen Profi sofort zu erkennen, dass willkürlich die Arme der Figuren untereinander ausgetauscht wurden. Zum Beispiel hat die 8003 im blauen Kleid den rechten Arm und die rechte Hand von einer 8006, die entweder zur lachenden Figur im grünen Kleid, oder im hellen, gräulichen Kleid (ganz rechts) gehört. Grundsätzlich kann man von der Annahme ausgehen, wonach sich auf dem Bild sowohl eine 8010, aber auch eine 8006 befindet. Durch die vertauschte Anordnung der Arme, ist aber die Zuordnung nur anhand dieses Bildes sehr schwierig wegen der Ähnlichkeit. Nicht alle Teile wurden damals mit gestempelten Seriennummern ausgestattet, was die Identifikation noch schwieriger macht.

Eine Schaufensterdekoration anfangs der 70er-Jahre (mindestens 1972, da in diesem Jahr die Serie „On the seaways“ von Hindsgaul auf den Markt kam. Es handelt sich hier um fünf Hindsgaul „On the seaways“-Figuren, bei denen aber die Arme willkürlich vertauscht wurden und so die Identifikation erschweren, wenn nicht sogar verunmöglichen. Ich erkenne mindesten eine 8006, die verschränkte Arme haben sollte…..

Vielleicht hat damals auch keiner gedacht, dass über 50 Jahre später diese Arme und dessen Stellung einem Sammler von grosser Bedeutung ist, nicht nur weil er so nahe ans Original bei der Restaurierung kommen will, sondern auch, da es weltweit vermutlich nur noch ganz wenige 8006 gibt, meines Wissens aber nur eine Einzige restaurierte mit verschränkten Armen nahe am Original.

Eine Hindsgaul „On the seaways“ 8006 mit falschen Armen und mit vielen Schäden (links) hatte ich 2023 zusammen mit einer Group 2 (mitte) und einer La Femme (beide Hindsgaul) gekauft.

So war diese Hindsgaul „On the seaways“ 8006 mit falschen Armen versehen, als ich sie mit einer ebenfalls äusserst seltenen Group 2 und einer La Femme (beide auch von Hindsgaul) im Internet auf einer Verkaufsplattform ersteigerte. Ihre linke Brust war eingedrückt und verschiedene Lackschäden waren zu sehen. Es lohnte sich aber, sie wieder zu neuem Leben zu erwecken, weshalb ich sie auch restaurieren liess – nach meinen Vorstellungen, d.h. nach meinem Konzept.

Bei solch einer seltenen Figur wie das Hindsgaul Mannequin aus er Serie „On the seaways“ mit der Seriennummer 8006 lohnt es sich etwas Geld für die Restaurierung zu investieren und vor allem Zeit, um das Konzept zu entwickeln.
Bereit zur Restaurierung, zur „Wiedergeburt“ nach 52 Jahren: meine Hindsgaul „On the seaways“ 8006 in der Spritzwerkstatt von Zellex, wartet noch auf den korrekten rechten Arm, damit die Figur so nahe wie möglich an das Original heran kommt.

Da wurde geputzt, geschliffen und gespachtelt. Ich gab die Farbe, das Makeup und die finale Armstellung vor, für die ich aber mehrere Monate brauchte und stundenlang in meinem Ersatzteilarchiv nach passenden Teilen suchte. Schon nach kurzer Zeit fand ich zumindest den linken, passenden Arm mit Hand, den ich in einer Plastiktüte schön säuberlich angeschrieben in einer der Kisten mit Teilen entdeckte.

Wichtiges und notwendiges Ersatzteil in einer meiner Kisten: linker Arm mit Hand, der für eine Hindsgaul „On the seaways“ mit den Nummern 8004 – 8006 passend wäre. So bekam meine 8006 zunächst den richtigen linken Arm mit Hand.
Das Problem mit dem rechten Arm war dann noch ziemlich rasch gelöst…

Später fand ich noch einen angewinkelten rechten Arm und eine Hand, wobei wichtig war, dass der Oberarm nicht an der Brust streifte. Diese Stellung gefiel mir aber nicht besonders, da auch die nach oben gerichtete Hand fehlte, welche sich auf den Oberarm stützen sollte (siehe Katalogbild unten).

Bild einer 8006 im Originalkatalog von 1972
Sehr schöne, sinnvolle, stimmige Pose, die sehr nahe an das Original heranreicht, wobei der Ausdruck – das Wichtigste – vollständig erhalten bleibt.
Sinnlich, magisch……
…fröhlich und unbeschwert… Ganz tolle Figur!!!

Die Suche nach der Pose / Hat das „Carina“-Titelblatt vom Juni 1983 einen Einfluss auf die Pose von einer Hindsgaul „Kids“ 2403 einen Einfluss ausgeübt?

Seit mein Interesse für Schaufensterfiguren vor bald 20 Jahren geweckt wurde, fragte ich mich manchmal, woher die Entwickler und Produzenten die Ideen für die Posen, für die zum Teil „eingefrorenen“ Bewegungen der Mannequins haben. Setzen sie sich in ein kleines Café am Rande eines belebten Boulevards in einer Grossstadt, oder beobachten sie Menschen bei einer Grossveranstaltung, bei der möglichst viele, unterschiedliche Gestalten innerhalb kurzer Zeit ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen? So manche Catwalk-Ikone stand schon John Taylor, dem Bildhauer von Adel Rootstein, Modell und auffallend oft, ähneln die Posen der Grazien aus Fiberglas den Endpositionen der echten „Gazellen“ auf dem Laufsteg, bevor es im eleganten, schwebenden Schritt wieder zurück hinter die Bühne geht. Wenn man also eine Karen Mulder besitzt und ein wenig recherchiert, findet man Fotos von ihr aus den 90er-Jahren, auf denen sie in der beinahe identischen Körperhaltung vor grossem Publikum steht und die Mode eines berühmten Designers präsentiert. Aber wie ist das bei Hindsgaul? Ausser Angie Hill, hat dieser Hersteller praktisch keine realen Menschen als Vorbilder für die Produktion von Mannequins verwendet. Also über welchen Weg liessen sich die Designer inspirieren? Wir wissen es nicht; wir können nur spekulieren. So erscheint mir die folgende Überlegung zwar einleuchtend, aber es bleibt eine Vermutung, da es dazu keine gesicherten Belege gibt.

Nicht nur Haute Couture boomte in den 80er-Jahren, sondern Mode auf breiter Linie, also auch Strickkode zum selber machen. „Burda“ und „Carina“ waren zwei dieser Zeitschriften, die begeisterte Näherinnen und Strickerinnen sich regelmässig kauften; und noch heute bekommt man auf ebay Exemplare von damals.

Titelblatt von einer „Carina“-Strickzeitschrift vom 13. Juni 1983

Kürzlich entdeckte ich dieses Foto einer „Carina“-Zeitschrift vom Juni 1983 und erinnerte mich natürlich sofort an meiner Kinderpuppe, die ich habe.

Hindsgaul Kinderserie „Kids“, Nr. 2403

Es ist eine Hindsgaul 2403 in einem sehr guten Zustand, wobei das Datum der Produktion auf der inneren Fläche der Beinabschlussplatten gestempelt ist. Diese Figur wurde also am 06.03.1989 produziert.

Bei vielen Hindsgaul-Figuren wurden die Produktionsdaten gut sichtbar gestempelt. Hier handelt es sich um den 06.03.1989
Katalogbild der Hindsgaul „Kids“-Figur 2403 von 1984

Lanciert und erstmals auf den Markt gebracht, wurde die „Kids“-Serie von Hindsgaul aber bereits 1984, also wenige Monate nach der Veröffentlichung der „Carina“-Zeitschrift.

Hindsgaul „Kids“-Serie

Handelt es sich hier aufgrund der frappanten Ähnlichkeit der Posen von dem Mädchen auf dem „Carina“-Titelblatt und dem Mädchen aus der Serie „Kids“ von Hindsgaul um reinen Zufall? Sind es sehr typische Körperhaltungen von Kindern, wenn sie auf etwas warten, etwas beobachten, oder einfach entspannt posieren möchten? Oder hat das Hindsgaul-Designteam aus Dänemark auch deutsche Strickpostillen gekauft, um sich von den Bildern inspirieren zu lassen? Möglich wär’s, auch würde ich sehr gerne den Weg wissen, wie die Idee von der Inspirationsquelle genährt, sich verfestigt und dann (wie im vorliegenden Fall) zur mutmasslichen Entscheidung führt: „Tolle Pose in der ‚Carina‘! Machen wir auch!“

Hindsgaul Kinderfiguren

„Modeschaufensterpuppen fast echt.“ Asbury Park Sunday Press, Artikel vom 23. September 1973

„Fashion’s Mannequins Nearly Real“ titelte die Zeitung Asbury Park Sunday Press ihren Artikel über Schaufensterpuppen, den sie am 23. September 1973, also vor fast 50 Jahren, veröffentlichte.

https://www.newspapers.com/newspage/143749993/

Was geschah am 23. September 1973? Vier Tage vorher, am 19.09.1973 wurde Henry Kissinger neuer Aussenminister der USA. Am 18.09.1973 hatte die UNO Deutschland und die DDR in die Staatengemeinschaft aufgenommen. Einer der fantastischsten Poeten und Buchautoren des Jahrhunderts, Pablo Neruda, stirbt am 23. September 1973. 

https://www.was-war-wann.de/1900/1970/september-1973.html

Ich war noch zu jung, um Pablo Neruda zu lesen. Doch ich höre noch heute die Worte meiner älteren Schwester, in denen Buchautoren wie Carlos Castaneda und eben Pablo Neruda genannt wurden. Es war die Zeit der Kommunen und der Hippies. Die „Make Love, Not War“-Bewegung war noch nicht abgeebbt. Einer dieser Neruda-Zitate lautet: „Liebe wird nicht gesehen, sie wird gefühlt und noch mehr, wenn sie neben dir ist.“ „Ich liebe dich nicht, als wärst du eine Rose aus Salz, Topas oder ein Pfeil aus Nelken, die Feuer verbreiten. Ich liebe dich, weil bestimmte dunkle Dinge heimlich zwischen dem Schatten und der Seele geliebt werden sollen.“

https://www.recursosdeautoayuda.com/de/frases-de-pablo-neruda/

Als ich den erwähnten Artikel über Mannequins im Internet am 02. November 2021 entdeckte, stach mir zuerst das grosse Bild links in die Augen:

Artikel „Fashions Mannequins nearly real“

Ich musste nicht lange überlegen, welche Figur das sein könnte, da ich sie bereits seit Jahren selber besitze und mich eingehend mit dieser seltenen Serie „On the seaways“ von Hindsgaul auseinandergesetzt habe. Es ist die Nummer 8008, die ich in einem Blogartikel am 04. März 2018 bereits beschrieben hatte:

Artikel über die Figur Hindsgaul „On the seaways“ 8008

Seit wenigen Wochen besitze ich sogar höher aufgelöste Bilder aus dem Katalog von Hindsgaul „On the seaways“. Hier ist sie in Farbe:

Hindsgaul „On the seaways“ Nummer 8008
Bild im Originalkatalog von Hindsgaul, von der Figur 8008

Na ja, über Frisuren, Kleider und Brille lässt sich bekanntlich streiten…. Aber diese Clogs sind (wie ich gestern im Fernsehen gesehen habe) zur Zeit der absolute Modehit; Retro, Vintage. Die 70er Jahre sind absolut angesagt! Wer traut sich zuerst grüne Strümpfe zu einem hellblauen Kleid zu tragen :-D!

Zu Beginn des Artikels ist zunächst von „Ella“ die Rede, von einem Mannequin, einer fiktiven Heldin in einer Kurzgeschichte aus den 1940er-Jahren, von John Colliers „Evening Primrose“. Ein Kunde sehnte sich so sehr nach „Ella“, dass er sich nach Feierabend im Bracy’s Grand Emporium-Geschäft einschliessen liess, wobei in der Fantasie diese Schaufensterfigur zum Leben erweckt wurde. Mit dem Hollywood-Film „Mannequin“ wird diese Thematik 1987 wieder in einer Fantasy-Komödie cineastisch verarbeitet. 

Die Schaufensterpuppen sähen immer mehr wie echte Menschen aus, heisst es weiter im Artikel weiter oben und umso weniger würde es erstaunen, wenn eine so wie in der Fiktion mit „Ella“ plötzlich lebendig würde. „The latest models from Europe, manufactured by Hindsgaul, a Danish firm, are images of swinging contemporaries, worlds away from the rigid, haughty dummies of yesterday. AS PICTURED in the Hindsgaul catalogs girl mannequins invade the captain’s quarters on a cruise ship, and in action -poses they live it up in the company of sideburned, mustachioed men mannequins in murky nightspots.“ Die gerade aktuellen Modelle aus Europa, vom dänischen Hersteller Hindsgaul, seien zeitgenössische Bilder von Mädchenfiguren in Actionposen, die gerade auf einem Kreuzfahrtschiff in die Kabinen des Kapitäns eindringen. Sie werden in Gesellschaft von Männern mit Schnurrbart und Koteletten in düsteren Nachtlokalen auf Katalogbildern von Hindsgaul gezeigt, heisst es da weiter und aus der Formulierung wird nicht ganz deutlich, ob diese „düsteren Nachtlokale“ mit Männern mit Koteletten mit Bewunderung, oder gar etwas abwertend beschrieben werden.  Da vielleicht aus letzteren Gründen auf die Abbildung einer solchen „murky“ Szene verzichtet wurde, hole ich dies hier gerne nach:

Hindsgaul „On they seaways“ Nummer 8015 au sdem Jahr 1972. Sie sitzt in einem „düsteren Nachtlokal“, wie es in der Zeitung von 1973 heisst.
Einer der ersten Artikel in meinem Blog verfasste ich am 03. März 2018 über die an einer Bar sitzende Hindsgaul „On the seaways“ mit der Nummer 8015, die ich 2017 erwerben konnte.

Weil ich dieses sitzende Mannequin an der Bar von Hindsgaul mit der Nummer 8015 so toll finde, habe ich sie im April 2018 – also einen Monat nach dem ersten Artikel über sie auf meinem Blog – gefragt: „Willst Du eine Bar, wo Du bequem sitzen und Dich mit mir unterhalten kannst?“ Sie lächelte und sagte in ihrer etwas mondänen Art: „Ja natürlich! Kauf‘ mir eine Bar.“ Und ich ging in ein Brockenhaus (Gebrauchtwarenladen) und kaufte ihr eine Bar, die drei Männer die Treppen hinaufschleppten… Sie hatten aber keine Koteletten…;-) 

Meine sitzende Hindsgaul „On the seaways“ mit der nummer 8015 bekam nach dem Umzug in die neue Wohnung im April 2018 eine Bar, wie sie sich es gewünscht hatte….

Zwischen diesen Hindsgaul-Figuren und den starren, hochmütigen Dummies von gestern“ würden gar Welten liegen, grosse Unterschiede erkennbar sein, liest man in einem Abschnitt (Zitat oben orange markiert) im Artikel von 1973. Henry Calahan aber, der für die Dekoration zuständige Vizepräsident von Saks an der Fifth Avenue in New York, bevorzugt aber einen damenhaften Realismus von amerikanischen Herstellern wie Mary Brosnan, D.G. Williams, Wolf & Vine und Greneker. Der Hindsgaul-Typus sei zu weit entfernt von jenem Luxussegment, welches seine Kunden erwarten, wird er diesbezüglich zitiert. Die Botschaft sei anders. Doch dann ist von der Frau (Adel) Rootstein die Rede, die in den 60er-Jahren für Aufsehen gesorgt habe, indem sie ultrarealistische Mannequins von lebenden Menschen als Doppelgängerinnen produziert habe, wie zum Beispiel „Twiggy“, oder Laurie Newton Sharp (Harrod’s executive). Von Adel Rootstein besitze ich auch „Lady Caroline Percy“ aus der Serie „Aristocrats“ aus dem Jahr 1968 – diese Serie ist im Artikel auch genannt (Beitrag in meinem Blog, s. Link):

Artikel über Lady Caroline Percy von Rootstein

Die eigentliche Aufgabe von Schaufensterpuppen sei, so Mary Brosnan, Kleider für den Verkauf zu präsentieren und nicht zu entertainen. „Too wildlooking a pose and hairdo will sell the mannequin, not the fashions.“…. Als Sammler alter Schaufensterfiguren sehe ich dies natürlich aus einer etwas anderen Sicht. Im Bild unten sind zwei Hinsdgaul-Figuren aus dem Jahr 1972 abgebildet, die mit ihren Posen ihre aussergewöhnliche Individualität zeigen, aber auch ein Stück Zeitgeschichte darstellen, weil sie ein Lebensgefühl anfangs der 70er-Jahren repräsentieren und wenn ich sie betrachte in meiner Erinnerung aufleben lässt. 

Hindsgaul „On the seaways“ Nummer 8010 (rechts) aus dem Jahr 1972 und links aus dem selben Jahr eine „Twenty2“ auch von Hindsgaul.

Die lachende Hindsgaul-Figur aus der Serie „On the seaways“ mit der Nummer 8010 (rechts) ist im Originalkatalog ebenfalls wie die 8015 in einem „düsteren“ („murky“) Nachtlokal abgebildet. 

Die Hindsgaul-Figur Nummer 8010 aus der Serie „On the seaways“ von 1973 ist im Originalkatalog lachend und fröhlich auf einer Tanzfläche abgebildet. Einfach toll!!!

Meine ebenfalls lachende Hindsgaul aus der Serie „Twenty2“ mit der Nummer 7109 gesellt sich hinzu und wurde diese Woche auch zum „Bunny of the week“ gekürt.

Die Serie „International“ von Hindsgaul mit den Nummern 8701-8723 von 1978

„Nomen est omen“ ( dt. „Der Name ist Programm“) würden die alten Römer sagen, denn 1978 lancierte die Firma Hindsgaul mit der brandneuen Serie „International“ einen Hit und die Mannequins verkauften sich international sehr gut. Wenn auch über 40 Jahre alt, tauchen diese Schaufensterfiguren auf dem Markt immer wieder auf und werden von den Sammlern schon beachtet, aber zu Niedrigstpreisen gehandelt. Selten sind sie auch in einem guten Zustand, was den Wert massiv senkt und nicht jeder findet gefallen an ihr. Das mag zum Einen daran liegen, dass verschiedene Attribute nicht schön genug sind und zum Anderen besteht das Kriterium der Vollständigkeit der Originalteile. D.h. wie bei vielen Serien aus dieser Zeit sind die Schulterkupplungen kreisrund und die Arme untereinander kompatibel. Vor allem bei grossen Warenhäusern wurden wahllos Teile ausgetauscht. Für manche Sammlerin und Sammler ist es daher wichtig die Teile zu besitzen, die wie im Originalkatalog zur Figur passen und es werden Figuren priorisiert (wie mir auffiel), die diesen sinnlichen, halb offenen Mund mit den weissen Zähnchen aufweisen, wie zum Beispiel die Figur 8703. Im untenstehenden Katalogbild sieht man die 8703 mit dem Kopf geradeaus schauend und mit den Augen ein wenig nach rechts blickend, mit beiden Armen angewinkelt und mit den Händen in die Hüften gestützt.

Katalog Hindsgaul International 7.jpg

Ich kaufte im Emmental von einem Bauernhof eine 8703 mit 8722 Armen und musste sie zuerst reinigen, sowie das alte Klebeband um die Hüften entfernen (Bild unten).

20180701_090711.jpg

Nach ihrer Reinigung stand sie lange in der „Warteschlaufe“, bis sie einmal an die Reihe kommen würde, um im Atelier ein paar schöne Fotos von ihr machen zu können. Heute am 30.10.2021 war es soweit…. (Foto unten)

Etwas später kam dann noch eine komplett restaurierte Hindsgaul „International“ hinzu (mit der Nummer 8703, od. 8710), die ich an Weihnachten 2018 als Wald-/Baumfee stylte.

20190102_022816 (2).jpg

Ebenso schön ist die Figur mit der Seriennummer 8718, die der Sammlerkollege Massimo besitzt (Katalogbild, rechts. Blick nach rechts).

katalog-hindsgaul-international-10.jpg
International_01 (Chee pow).jpg

flickr, Massimo, „Blondie“, Hindsgaul International 8718

Hindsgaul Fanseite – Serien Historie

Die Pixie- und Buzz-Frisur von Angie Hill, einem Supermodel der 80er-Jahre, ist wieder cool und trendy.

„The looks from the 1980s that we actually want bring back“ steht neben einem Portrait von der damaligen Superblondine Brigitte Nielsen. Gebleichte, kurze Haare im Pixie-Stil war ihr Markenzeichen. Sie war gross und durchtrainiert, machte eine gute Figur neben ihrem Ehemann Sylvester Stallone, galt aber als wild und ungezähmt. Ein Image, das sie pflegte und welches zur zunehmend selbst bestimmten Frau Ende des 20. Jahrhunderts gehörte.

Pixie frisur 04 Brigitte Nielsen 01.jpg

Brigitte Nielsen mit Pixie-Frisur

„This is surely the next stop of the Pixie train that everyone is recently hopping on“ schrieb die Blogerin Gabrielle Korn Ende 2013 und sie spürte diesen Retro-Trend sehr genau.

Pinterest: „wir wollen die Beauty-Trends der 80er-Jahre zurückbringen

„Die nächste Haltestelle vom Pixie-Zug“ kam schon kurz danach und ab 2018, vor allem seit diesem Jahr (2019), ist die coole Pixie-Frisur wieder voll im Trend!

pixie-frisur-04-natalie-portman.jpg

Auch die berühmte, französische Schauspielerin Natalie Portman trägt einen Pixie und zeigt ihr wunderschönes Gesicht. Dieser Haarschnitt gilt als frech und eigenwillig, was mit den Charaktereigenschaften der jeweiligen Trägerin verbunden wird. Jedenfalls ist mit diesem Look Offenheit und ein unkompliziertes Wesen signalisiert. Kurze Haare machen Frauen jugendlicher und fröhlicher, wird zum aktuellen Frisurentrend 2018 / 2019 geschrieben….:

Frisurentrend 2018 / 2019

Im Friseurlexikon steht: Pixie: Dieser freche Kurzhaarschnitt ist seit den 1960er Jahren bekannt. Heute hat er ein regelrechtes Comeback erlebt. Die Haare werden auf etwa 5 cm gekürzt und erhalten eine fransige Schnittlinie. Die Ohren liegen frei. Die Nackenpartie wird entweder stufig gestaltet oder anrasiert. Am besten steht dir der Pixie-Cut, wenn du ein schmales Gesicht mit feinen Zügen hast. Dann wirkt dieser Haarschnitt besonders weich und feminin.“

swiss-beauty-trends Friseur-Lexikon

Pixie frisur 05.jpg

pinterest Haartrends 2019

Sehr schöne Pixie-Frisur (oben), die das Gesicht und die Augen hervorheben lässt!

Kurzhaarfrisuren-Trend 2019 (balancebeautytime)

buzz-cut 01.jpg

Der Undone- und Wet-Look ist total angesagt und sorgt beispielsweise im Buzz-Stil für einen „Wouw“-Effekt. Der Buzz-Cut „steht für mutige Frauen, die zu ihrer natürlichen Weiblichkeit stehen. (Zitat, siehe obigen Link balancebeautytime)“

Genau dies strahlt Angie Hill aus, wo sie nackt und mit Pixie-Kurzhaarfrisur für „4head“ wirbt (siehe Vimeo-Videoclip > Link)

Angie Hill 14-01.png

Vimeo-Clip „4head“ mit Angie Hill

angie-hill-14-03.png

Lustig: Angie Hill mit unterschiedlichen Grimassen auf vier Schwarzweiss-Portraits, die 1987 zu ihrer Setkarte bei der Agentur „Bookings“ gehörten.

Angie Hill 02.JPG

Modelarchiv, modelcomposits, Angie Hill

Angie Hill 13b.jpg

Angie Hill ist in Virginia (USA) geboren und wurde in Philadelphia als Model entdeckt.

Angie Hill (IMDb, Database)

 

Angie Hill 15.jpg

pinterest Bild Angie Hill (franz. ELLE 1986)

18ea89ad47eb19e587f4c824bb270607.jpg

pinterest, Angie Hill, VOGUE Australia 1988

11260898_767005340064556_1988687289_n.jpg

Angie Hill 16.jpg

stalkram Angie Hill

14733627_151401668655570_1040708513266925568_n.jpg

Angie Hill, ELLE 1986

11358127_477482412414906_1268785111_n.jpg

Angie Hill ist Angie von Hindsgaul mit den Seriennummern 5501 – 5515.

Hindsgaul Angie 6.jpg

Hindsgaul Angie 8.jpg

Man konnte damals sogar eine Buzz-Frisur-Hartschalenperücke zum Mannequin kaufen, was die Figur noch authentischer aussehen liess.

Die sitzende Angie, Hindsgaul Nr. 5515, habe ich bereits in einem Beitrag in diesem Blog beschrieben:

Blogbeitrag über die sitzende Angie Hindsgaul Nr. 5515

Im Beitrag „The battle“ wird eine Loutoff-Angiekopie einer originalen Hindsgaul Angie als Vergleich gegenüber gestellt.

Loutoff vs. Hindsgaul > Angie

20190324_134615.jpg

Angie mit original blauen Augen… Über meine weiteren Angies werde ich noch berichten.

 

 

Eine Hindsgaul „Sandra“ steht zum Verkauf

 

20190519_163448.jpg

Schmuck und Perücke, sowie das sexy Kunstleder-Korsett ist im Preis inbegriffen (Preis auf Anfrage). Die Metallstandplatte kostet CHF 20.- extra.

Die Figur ist gebraucht und hat einige Gebrauchsspuren. Die Beine sind einen Farbton heller als der Torso, was aber kaum auffällt, wenn diese schöne Hindsgaulfigur aus der Serie „Sandra“ angezogen ist….

20190519_163226.jpg

Der Torso besitzt die Seriennummer 5413, der linke Arm ebenfalls, und die Beine sind mit der Nummer 5414 gestempelt.

 

 

Mannequin von Hindsgaul aus der Serie „On the seaways“ mit der Nummer 8012. Des Rätsels Lösung.

Im Inserat stand nur „Schaufensterpuppe“, ohne Label, oder Angabe der Seriennummer. Aber anhand ihres Gesichtes (sie war in ein Abendkleid gehüllt und schlecht fotografiert) erkannte ich sie sofort: es war das selbe Gesicht, mit der selben Haltung wie diejenige, die ich wenige Wochen vorher gekauft hatte. Wie bereits in einem Beitrag geschrieben, wusste ich nicht hundertprozentig, ob meine Vermutung richtig ist, nach welcher es sich um eine Hindsgaul „On the seaways“ handeln müsste.

Blogbeitrag über nummernloses Mannequin

Die baugleiche, neue Hindsgaul mit der Nummer 8012 ist definitiv aus der Serie „On the seaways“ und somit ist die Erste (siehe Link) auch eine 8012. Das neue Mannequin, das mir nun bei der Identifikation geholfen hatte, besitzt aber einen linken Arm ohne eine Nummer und der rechte Arm ist mit der Nummer 7109 versehen, wurde als vertauscht und gehörte ursprünglich einem Mannequin aus der Serie „Twenty2“.

20190514_222327.jpg

Seit gestern ist sie geputzt und neu gestylt. Ein wenig Sommerfeeling und Vintage mit dem Schlapphut und schon schaut sie sehr zufrieden wieder in die Welt….

20190514_232017.jpg

Die beiden Schwestern kommen prima miteinander aus…..

 

 

 

 

 

Ein Traum: Die sitzende „Angie“ von Hindsgaul mit der Nummer 5515

Die meisten Mannequins-Sammler weltweit kommen ins Schwärmen, wenn man ihren Namen nennt: „Angie“ von Hindsgaul, mit den Seriennummer 5501 bis 5525; gesamthaft 20 verschiedene Posen. Dieser Name wird „Einschii“ ausgesprochen, wo beim „E“ so der Kiefer ein wenig nach vorne geschoben wird, um anstelle des geschriebenen englischen Vokals „A“ phonetisch ein „Ei“ zu sprechen, um dann mit dem Konsonanten „n“ dann die erste Silbe abzuschliessen und die zweite Silbe phonetisch „schii“ anzuhängen. Der Name klingt am Ende gleich, wie in jener berühmten Rockballade von der Musikgruppe Rolling Stones, in welcher sie die wunderbare Schönheit einer „Angie“ besingen. Am Ende der zweiten Strophe heisst es: „Let me whisper in our ear, Angie, Angie“ (Lass mich in Dein Ohr flüstern: Angie, Angie).

Text, Lyrics vom Lied „Angie“, der Rockgruppe Rolling Stones

Genau so andächtig und voller Zärtlichkeit in der Stimme wird dieser Mannequinname ausgesprochen, flüsternd, andächtig, ehrerbietend: „Einschii“. Die drei Zeilen der letzten und vierten Strophe, dieses weltberühmten Liedes und Evergreens, haben eine solche Ausdruckskraft, dass sie sich in das Bewusstsein einer ganzen Generation eingegraben haben und sich als Spiegel der Flowerpower-Epoche zu ewigem Ruhm verhalf: „Angie, I still love you baby. Everywhere I look I see your eyes. There ain’t a woman that comes close to you.“ („Angie, ich liebe Dich immer noch. Überall, wo mein Blick umherwandert, sehe ich Deine Augen. Es gibt keine Frau, die an Dich heran kommt.“) Es stellt musikhistorisch eine der schönsten und gefühlvollsten Liebeshymnen dar, die je geschrieben wurden.

Vermutlich ohne eine Verbindung zum Lied der Rolling Stones zu beabsichtigen, stimmt Markus auf seiner Hindsgaul Fanseite mit seiner Begeisterung in den Reigen ein. Angie ist „eine Figur, die ihres gleichen sucht“ ist da zu lesen; eine regelrechte Hymne an die schönste aller Hindsgaul Schaufensterpuppen.

Hindsgaul Fanseite, „Angie ein Hindsgaultraum“

Das Mannequin, welches 1988 auf den Markt kam und einschlug, wie eine Bombe, nennt er einen Mythos, eine Puppenlegende. „Angie“ sei eine Figur wie aus dem Bilderbuch, wie in einem Traum. Eine solche Hommage hat sie redlich verdient, denn sie „ist eine selbstbewusste Lady, die weiss, wie sie alles bekommt“. Naja, es ist tatsächlich sehr schwer „Nein“ zu sagen, wenn sie etwas will; da gebe ich Markus recht.

Die sitzende 5515 meinte eines Tages, sie wolle der englischen Bedeutung ihre Namens Rechnung tragen und sie brauche deshalb ein Engelskostüm mit Flügeln (Angie kommt von Angela, mit der Bedeutung „Engel“). Ihr Wunsch wurde erfüllt und so wurde aus der sitzenden „Angie“ ein wunderbarer Engel (siehe Fotos)

20190324_133723 (2).jpg

20190324_141504.jpg

20190324_134511.jpg

Hindsgaul Fanseite, Seriennummern

Hindsgaul „Angie“ Onlinekatalog

Hindsgaul Angie 15-02.jpg

Weitere Figuren aus dieser Serie werden in separaten Artikeln beschrieben….

 

 

 

Hindsgaul Mannequin, vermutl. aus der Zeit von anfangs bis Mitte der 50er-Jahre…. noch ohne konkrete Identität

Mein kürzlich etwas aktualisiertes Bildarchiv über Mannequins umfasst 797 Ordner und 17’753 Bilddateien. Viele Schaufensterfiguren kenne ich auswendig. Andere erkenne ich an ihren typischen Merkmalen und wieder andere sind sehr alt, oder selten, sowie kaum dokumentiert, was Recherchen erschweren, aber für mich auch eine Herausforderung darstellt. Dabei wird mein Forschergeist geweckt und ich stöbere u.a. im Bildarchiv und im Internet nach brauchbaren Informationen, um sie hier im Blog zu publizieren und der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Doch kürzlich erwarb ich eine Schaufensterfigur, die mir grosse Rätsel aufgab. Sie muss viel älter sein, als sämtliche Mannequins, die ich besitze und so selten, dass ich weder im Internet etwelche Spuren, noch in meinem Bildarchiv irgend eine vergleichbare Illustration gefunden habe. Das ist sonderbar und aussergewöhnlich, aber nicht weniger spannend.

20190312_204645.jpg

Beim Kauf der Schaufensterfigur fehlten die Hände, nicht unüblich bei uralten Vintage-Mannequins. Die gingen irgendwann mal verloren…. schade. Dann drehte ich die Puppe und sah ein rhombus-förmiges, aufgedrucktes Label im Kreuzbereich des Körpers, mit der Aufschrift „Hindsgaul“. Meine Stirnfalten kräuselten sich, denn von Hindsgaul bin ich mir runde (60er-Jahre) und rechteckige (von den 70er-Jahren bis heute) Aufkleber an derselben Stelle gewohnt. So etwas hatte ich zuvor noch nie gesehen. In der Mitte dieses Parallelogramms ist in Terracottafarben ein männlicher 3/4-Torso ohne Kopf abgebildet, der vom Namen der Manufaktur und dem des Hauptsitzes „Copenhagen“ in Dänemark überschrieben ist.

20190312_205723.jpg

Noch mehr erstaunt haben mich die Schulterkupplungen, dessen Metallteile verchromt sind. Offenbar wurde diese Veredelung mit Beginn der 60er-Jahre und später aufgegeben und damit vermutlich auch Herstellungskosten gespart. Von diesem Zeitpunkt an waren sie aus rostfreiem, sonst nicht veredeltem Stahl. Also eine ziemliche Überraschung für mich, als ich mal einen der Arme aus der Kupplung löste. In die verchromte Metallplatte ist der Hersteller „Hindsgaul“ eingraviert und der dänische Name der Hauptstadt in der Landessprache „Cobenhavn„. Am Oberarmansatz bei der Schulter ist die Nummer 18AA gestanzt, die Rätsel aufgibt. Darunter ist eine vierstellige Zahl in Rot gestempelt, die ganz in der Hindsgaul-Tradition steht. Sie waren und sind für Damen bis heute vierstellig und bis 1970 rot, danach schwarz. Man kann leider nur die mittleren beiden Ziffern gut lesen und ist bei den Endziffern auf ein gutes Vorstellungsvermögen und auf die Kenntnis der von Hindsgaul verwendeten Zifferformen angewiesen. Ich lese jedenfalls „8588“, obwohl eben die Endziffern unsicher sind.

20190312_172850.jpg

20190312_172830

Beim zweiten Arm ist die beiden ersten Ziffern sehr gut lesbar „85xx“. Aussergewöhnlich ist der verchromte, kugelförmige Verbindungsbolzen in der Mitte der Kupplung, die auf eine sehr massive Konstruktion hinweist. Diese Form wurde später mehrmals geändert.

20190312_184235

Typisch für die Mannequins der damaligen Zeit, also auch bei vielen Konkurrenten, wie z.B. Moch, Siégel usw., war die Teilung des Torsos und der Beine auf Höhe der Taille. Erst später wurde sie auf Höhe der Hüften heruntergesetzt. Zudem äusserst typisch für diese Zeit: unteilbare Beine. Das war bis weit in die 60er-Jahre hinein nicht notwendig, da die Frauen noch keine Hosen trugen. Jupes, Röcke und festliche, bis zum Boden reichende Kleider bedurften keiner Trennung der Beine. Sie konnten über den Kopf gestülpt und von oben her angezogen werden. Erst mit der Emanzipation der Frau und den sich dadurch auch verändernden Modetrends, trugen Frauen vermehrt auch Hosenanzüge. „Erst Ende der 1960er Jahre wurden Frauenhosen gesellschaftlich akzeptiert.“

Wikipedia: „Hose“

Alleine schon anhand der Konstruktion und Teilung einer Schaufensterfigur, lässt sich ihr Alter ablesen, weil für Frauen das Tragen von Hosen erst vor 55 Jahren erlaubt war und die Mannequin-Manufakturen neue Techniken für die Teilung der Beine entwickeln mussten, um die neue Mode überhaupt präsentieren zu können. Dieses Thema wird in einem eigenen Artikel in diesem Blog noch vertieft behandelt werden. Diese Figur von Hindsgaul ist aufgrund der Indizien mit Sicherheit älter als 1960, zumal die Mannequins von Hindsgaul zwischen 1960 und 1965 vom Werk bereits modellierte Schuhe trugen, was vorher nicht der Fall war, sowie in den Jahren ab 1966.

20190312_204055-1.jpg

Wir finden an dieser Schaufensterfigur weitere Hinweise auf ihr Alter. Die Proportion der Schulterkupplung ist viel zu gross im Vergleich zum Körper dieses Teenagers, der sogar eher schmal und mädchenhaft wirkt. Der Detailreichtum wie z.B. bei einer „Revel“ von Hindsgaul aus den 80er-Jahren, wo man Schlüsselbein, Rückenwirbel usw. erkennen kann, ist hier noch nicht vorhanden. Die hochgezogenen, bogenförmigen Augenbrauen waren für die Zeit ganz im Stil von Marlene Dietrich gewählt und dann trat eine Diva im italienischen Film und in Hollywood auf, welche das Schönheitsideal der damaligen Zeit prägte: Sophia Loren.

zwei_naechte_mit_cleopatra_sophia-loren-colored-by-hippo-due-notti-con-cleopatra-531957828_sophia_loren__cleopatra__colorized____gippo_122_3.jpg

Sexy und selbstbewusst trat sie im Film „Zwei Nächte mit Cleopatra“ auf und dürfte wohl nicht nur Männerphantasien beflügelt haben (1953).

Film „Zwei Nächte mit Cleopatra“

Sophia loren-50-portraet-DW-Kultur-Hamburg-jpg.jpg

Sophia Loren

Die junge, schwarzhaarige Frau von Starregisseur Carlo Ponti, die auch Frauen mit ihren mandelförmigen, grossen Katzenaugen und dem ebenmässigen Gesicht in ihren Bann zog, wurde zur Filmdiva und zum Schönheitsideal der späten 50er- und der frühen 60er-Jahre. Inspiriert von der französischen Manufaktur „Siégel“, zogen auch „Hindsgaul“ und „Schläppi“ mit.

il_1140xn.1530060928_b7i8-1.jpg

etsy Siégel-Büste aus den 60er-Jahren

Die französische Firma „Siégel“ produzierte Ende der 50er- und anfangs der 60er-Jahre Mannequins mit mandelförmigen Katzenaugen und im Spitz zulaufende Gesichter, die sehr an das damalige Schönheitsideal Sophia Loren angelehnt waren.

20190312_190021.jpg

Da bei dieser Hindsgaulfigur noch keine Sophie-Loren-Gesichtszüge vorhanden sind, ist es nach meiner Einschätzung denkbar, dass sie vor 1955/56, also zwischen 1950 und 1954 produziert wurde. Wie bei den noch älteren Mannequins gleicht das Gesicht eher einer Puppe und ist im Vergleich zu realistischeren Figuren maskenhaft. Trotzdem gefiel sie mir auf Anhieb, vor allem die Stupsnase…. 😉

Mehr kann ich im Moment nicht dazu sagen; weitere Recherchen folgen.

 

 

 

Loutoff LM1 vs. Angie von Hindsgaul: „the BATTLE“ (dt. „die Schlacht“)!

20190309_021502 (2).jpg

Der Begriff „the Battle“ im Titel ist natürlich eine Persiflage. Nein, keine Angst, bei mir geht alles friedlich über die Bühne. Was zunächst aussieht wie ein Lichtschwert aus dem Film „Star Wars“, ist in Wirklichkeit der leuchtende sog. „Stock“ eines Schirm, worin eine bläulich-weissliche Leuchtstoffröhre eingebaut ist. Da gibt es bei den beiden Schönen keinen Konkurrenzkampf und keinen Schlachtruf an der Verteidigungslinie, selbst wenn sie um die letzte Rose kämpfen müssten, wie die Finalistinnen in der TV-Serie „Bachelor“, denn sie wissen beide: ich bin durch und durch ein Fan der Hindsgaul-Schaufensterfigur mit dem Seriennamen „Angie“. Das hat viele Gründe. Zunächst dürfte der Name selbst bei mir einige Assoziationen in Verbindung mit meiner wilden, rebellischen Jugendzeit auslösen, als sich Verliebtheit noch so anfühlte, als verzehre einem im Innern ein Meer von Flammen, manchmal ungestillt und immer dürstend nach dem Erwidern seitens der Angebeteten – und egal, welchen Namen sie trug, sie war per se immer ein Engel, also so gesehen immer eine „Angie“. Da war noch dieses Lied, süss und traurig zugleich, das aus alten Kofferradios trällerte, oder im Hintergrund schon knisterte, weil die Single mit der wohl herzzerreissensten Ballade der „Rolling Stones“ schon tausend Mal von der Nadel des alten Plattenspielers abgegriffen wurde. „Welch störungsfreier Hörgenuss heute, mit i-Pad & Co.“ denke ich manchmal. Aber es gibt zum Glück für Vintage-Enthusiasten ein digitales Plugin für den Sixties-Sound-Freak mit Kratz- und Knackgeräuschen, bei dem zumindest virtuell in das Ambiente dieser Zeit eingetaucht werden kann. Den Rest von den rückwirkend so verklärten Partystimmungen der Hippiegeneration kann man sich als Zeitgenosse vermutlich noch lebendig in die Gegenwart holen, selbst wenn die wie ein Dampfschiff rauchende Wasserpfeife und die um sie herum liegenden Studenten, aus dieser enormen zeitlichen Entfernung nur noch schattenhaft erkennbar sind.

„Angie“ ist ein Serienname der dänischen Mannequin-Manufaktur „Hindsgaul“ und die Figuren kamen 1988 mit 22 unterschiedlichen Posen auf den Markt.

Hindsgaul Fanseite, „Angie“ 1988

Hindsgaul „Angie“-Katalog, history of mannequins

Hindsgaul Angie 1.jpg

Sie war eine der beliebtesten Hindsgaul-Schaufensterfiguren, weshalb heute noch nach 30 Jahren viele im Umlauf sind. Ich kenne keinen Sammler, der nicht eine „Angie“ in seinem Repertoire hat und deren Vorteile geniesst, denn sie lässt sich höchst individuell stylen. Diese Popularität mag auch der Grund gewesen sein, dass die Firma Loutoff (aus Fernost) vor einigen Jahren eine Schaufensterfigur produzierte, die der „Angie“ wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Sie wird unter der Bezeichnung LM1 vertrieben und ist im Internet bestellbar. Auf dem Foto mit dem Schirm (oben / unten) sind meines Wissens, das erste Mal weltweit, beide Figuren nebeneinander dargestellt.

20190309_015048.jpg

Als ich eine Loutoff LM1 kaufte, gebraucht und sehr günstig, während ich bei der selben Inserentin vor allem Kleider besorgte, wurde dies von einer Hand voll Sammler danach schon entsprechend „kommentiert“. Natürlich sind die Qualitätsunterschiede enorm und im Grunde misst man in einem direkten Vergleich mit unterschiedlichen Massstäben. Es ist letztlich auch Geschmackssache. Wer aber eine „Angie-like“-Schaufensterpuppe haben möchte, der trifft im Billigproduktionssegment eine gute Wahl, denn wem fällt von den Laien-Sammlern und Kunden im Kleiderladen schon der Unterschied auf: niemandem. Doch der anspruchsvolle Profi-Sammler, der betrachtet dies aus einer anderen Warte.

ZNL Angie-Kopie 02.jpg

Amazon, LM1 von Loutoff (ähnlich wie „Angie“)

Ein markanter Vorteil der Loutoff-(„Angie“) LM1 ist die Glasstandplatte mit Wadendorn, wonach schnell und schadlos Schuhe an die Füsse montiert werden können. Sie ist viel leichter als das Original, aber auch weniger stabil. Sie ist schneller auf- und abgebaut als die Hindsgaul „Angie“, ist aber an den Verbindungsstücken gefährdeter für Risse.

znl-angie-kopie-28-e1552167434596.jpg

Was die Mimik im Gesicht anbetrifft, ist die Mundpartie erstaunlich übereinstimmend. In Betrachtung der Anatomie, gibt es dort einen ovalen Muskel namens „orbicularis oris“, der bei „Angie“ schön und naturgetreu modelliert wurde, aber auch bei der LM1 deutlich hervortritt, vor allem an den Mundwinkeln, weshalb bei beiden ein leichtes „Schmollen“ feststellbar ist, je nach dem, wie man die Mimik interpretieren will.

Angie (preusse1, hiveminer)_01.jpg

flickr, preusse1, Hindsgaul „Angie“ 5507

Zum Vergleich eine „Angie“ (Nr. 5507) von einem Sammlerkollegen im „Wedding-look“, aber mit Peitsche (schwarze Lasche), für die Bestrafung, wenn die anderen Girls im SM-Studio für Wet-Look-Fetischisten (Glanzlack und Kunstleder) gerade in der Kaffeepause sind…..

5260262263_901e000f38_o.jpg  flickr, Preusse1, Hindsgaul „Angie’s“, Wet-Look-Fetisch

….. oder eine andere „Angie“ etwas chillen möchte.

5038368923_5da394b306_o.jpg

_246841879_0b92e0c729_o.jpg

Schon die andere Körperspannung, das Anmutige und die gesamte Proportion der Figur, sowie diverse Details wie das Handgelenk und die naturalistisch modellierten Hände, machen den feinen, aber wesentlichen Unterschied zur LM1 aus. Den detailverliebten Sammler stört es, wenn die Füsse klumpig wirken, oder die Brustwarzen fehlen. Solche Mängel hat man bei der Angie nicht zu beklagen. Egal was man ihr anzieht: sie scheint es mit grosser Lust und Freude zu präsentieren, während ihr quasi „Ebenbild“ eher lustlos wirkt, so im Stil „ich-habe-grad-nichts-anderes-zu-tun-also-ziehe-ich-es-an“.