Wenn man vom „Mannequins-Virus“ angesteckt ist, bedeutet „Freizeit“ jene Zeit, in der man zur „Entspannung“ im Internet surft. Surfen ist ja auch eine sportliche Betätigung ;-). Bei der Denkleistung werden ebenso Kalorien verbraucht, ähnlich wie beim Joggen im Wald. Nur dort verbrennen sie die Muskeln und man befreit den Kopf; und beim surfen im Internet entwickelt man Strategien, um an die wertvollen, teilweise versteckten, sehr schwer zugänglichen Informationen heran zu kommen. Das ist Arbeit, ganz besonders in einem Wissensgebiet, in welchem das Spektrum durch weitgehendst fehlende Literatur sehr eingeschränkt ist. Dieses Blog will ja diesem Mangel entgegenwirken.
In der Zwischenzeit habe ich gelernt, wie man sich in diesem riesigen Informationspool, welcher das Internet anbietet, zurecht findet, um Informationen über Mannequins zu erhalten. Selbst wenn man immer wieder bereits bekannten Bilderreihen begegnet. sind auf den „zweiten Blick“ Dinge zu entdecken, die beim „ersten Blick“ übersehen wurden.
So ging es mir mit diesem Schwarzweiss-Foto aus einer Broschüre von der Hindsgaul-Serie „Group2“ von 1968:
Die etwas zu geometrisch angeordneten Blüten am Boden mögen noch nicht an die wilde Zeit der 68er erinnern. „Flowerpower“ bedeutete „Ausbrechen aus den Konventionen von Erziehung und Alltag“. Doch auch diese aus heutiger Sicht „braven“ jungen Männer mit ihren Gitarren waren cool und „outlaws“, selbst mit Krawatte und in Bundfaltenhosen gekleidet, womit sich heute nicht einmal mehr Sonntagsschüler in die Kirche getrauen würden. Die Texte wurden provokanter, die Musik schräger. In den darauffolgenden Jahren kam Hard- und Metallrock auf und Alice Cooper u.a. schrieben Musikgeschichte. Die Bärte und Haare der Musiker wurden länger und länger; die „gepuderte Nase“ bekam eine zusätzliche Funktion usw. Beim zweiten Blick sah ich auf dem Foto die Herrenfigur mit der Bierflasche in der rechten Hand und im Mund steckt tatsächlich eine Zigarette! Eine solche Broschüre wäre heute völlig undenkbar! Von den „braven“ Mädchen auf dem Bild, die damals artig und zufrieden lächelnd Zuhörerinnen verkörperten und sie nicht als Teil der Band verstanden werden sollten – soweit war die Gleichberechtigung noch nicht fortgeschritten -, fiel mir die Kniende ganz rechts im Vordergrund der Annonce zur Ausstellung „Euroshop 1968“ besonders auf. Die Haltung ist speziell und das Gesicht wunderschön, mit diesen zarten Gesichtszügen und den treuherzigen Rehaugen. Hier eine Vergrösserung:
Genau die wollte ich! Nur, wie kommt man zu einer solch tollen Figur, die nicht mehr als der Name des Herstellers und die Bezeichnung der Serie („Group2“) preisgibt, sowie die spezielle Haltung die Suche etwas einzuschränken vermag, denn kniende Mannequins sind sehr selten, im Gegensatz zu sitzenden, liegenden und vor allem stehenden Figuren.
Nach dieser Ausstellung „Euroshop 1968“ wurde eine kurze Rückblende veröffentlicht, in der es heisst: „Nicht nur wegen des grossen und bestechend schönen Mannequin-Angebots, sondern wegen der hervorragenden Aufmachung.“ sei der Hindsgaulstand von einigen EUROSHOP-Besuchern hoch gelobt worden. „Ganz in weiss gehalten waren Stand und Mannequins. Farbiges Licht und das Make-up der Mannequins betonten die Schönheit des Weiss.“ Diese Beschreibung fordert nun unsere Fantasie, weil lediglich dieses eine Bild des Hindsgaulstandes in Schwarz-Weiss aufzufinden ist.
Letzte Woche entdeckte ich dieses einzige Handybild (siehe weiter unten) auf einer Verkaufsplattform und ich wusste sofort, mit 99,9%-iger Sicherheit, dass es die Kniende aus der „Group2“-Serie sein musste und kaufte sie sofort. Die eine Schulter hat einen Riss, überall sind Abplatzer und der eine Arm fehlt, während der vorhandene rechte Arm von einer anderen Figur stammt. Das war mir egal. Ich suchte seit Jahren diese Kniende von der Hindsgaul-„Group2“-Serie und hatte die Chance eine zu erwerben. Bei der Abholung in Zürich konnte ich sie dann zu 100% identifizieren
Nun ist von der knienden Schaufensterfigur aus der „Group2“-Serie von Hindsgaul auch die Seriennummer erstmals bekannt, da in Archiven nichts mehr auffindbar ist. Es ist die Nr. 6808.
Dieses typische Blau des Lidschattens, das man in den 60er-Jahren verwendete, kann bei der Identifikation einer Schaufensterfigur helfen. Dieses sog. „Smokey-eyes“-Make-up muss man sich also vorstellen, wenn in der zitierten Rückblende von der EUROSHOP 1968 „farbiges Licht und das Make-up“ erwähnt wird, welches das Weiss unterstützt habe. Es ist also zu 100% ein Original-Make-up, 50 Jahre alt und in einem guten Zustand. Die Puppe muss jetzt gereinigt werden, bekommt bei Gelegenheit ein Make-over und wird wieder in altem Glanz erstrahlen.
Man gewöhnt sich schnell an diese in Zentraleuropa eher unübliche Schreibweise dieses griechischen Vornamens: Lidija. So wird er eher in Russland, Lettland, in Tschechien und in der Balkanregion (Kroatien) geschrieben. Auch in der Aussprache macht man da einen kleinen Unterschied: „Lidija“ mit „i“ und der Betonung auf der zweiten Silbe und „Lydia“ bei uns mit „ü“ und meist mit der Betonung auf der ersten Silbe.
586’335 Personen (IP-Adressen) haben dieses Bild seit 2014 angeklickt. Ganz sicher sind noch mehr Menschen auf sie aufmerksam geworden… und haben sich auf „imgur“ die Frage gestellt: „Wie heisst sie?, „Was macht sie?“, „Warum trägt sie ein Hochzeitskleid und keinen Ring am Finger?, „Wie fühlt sie sich? Ist sie traurig, deprimiert? Wurde sie von ihrem Bräutigam sitzen gelassen, oder wer ist Schuld an dieser Misère?“ „Vielleicht wartet sie ja nur – und wird doch noch abgeholt!“
„Kopf hoch, Mannequin! Es scheint, als würde dieser Tag der Beste Deines Lebens werden….“titelte derjenige dieses Bild, welches er vor vier Jahren auf die Plattform im Internet postete und scheint den Ausgang des „Geschehens“ auf beide Seiten offenlassen zu wollen. Variante 1: Er ist weg. Variante 2: Er kommt noch. Der ironische Unterton zur Variante 1 ist wohl kaum zu übersehen. Nun, der Dekorateur dieses Schaufensters hat (bewusst oder nicht, das entzieht sich meiner Kenntnis) mit diesem Mannequin in einem Hochzeitskleid, durch die Wahl eines traurigen Gesichtsausdrucks den Spannungsbogen geschaffen, welche die Neugier der vorbeigehenden Menschen weckt; ohne viel Pomp und Klimbim, schlicht und anziehend.
Die Lidija von Adel Rootstein ist für einen erfahrenen Sammler sofort und unschwer zu erkennen. Sie hat breite, grosse und sinnliche Lippen, ein eigentümliches Make-up und eine Körperhaltung, welche in Kombination mit der Armstellung, eine bedrückte, oder demütige Pose zeigt. Sie trägt die Nummer AR02 und gehört zur „Girl Things“-Serie.
Diese Schaufensterfigur ist beim Hersteller Adel Rootstein immer noch verfügbar:
„This is the face of a woman who woke up to a surprise period.“ heisst ein Kommentar zum „imgur“-Post. „Dies ist das Gesicht einer Frau, welche in einem sehr überraschenden Zeitpunkt aufgewacht ist.“ „Kopf hoch, Monica!“ schrieb ein anderer ermunternd; und schon löst ein Mannequin Emotionen aus. Es lohnt sich, diese zum Teil äusserst witzigen Kommentare anzusehen! „Ich glaube, sie ist (nur) hungrig.“ „Ihre Augen sagen ‚Nein‘, aber ihre Lippen sagen ‚guuurrrrlll!“ „Julia Roberts braucht etwas Sonne (bzw. Sonnenbräune).“ „Ein Mannequin in einem ewigen, existentiellen Dilemma.“
Sie wirkt nachdenklich, die AR02, aber wenn man diese Figur so kunstvoll stylt, wie die Anette, dann sieht die richtig toll aus!
Bei der zweiten Körperhaltung von Lidija ist der linke Arm gegen oben angewinkelt, zum Gesicht führend, und der Ellbogen ruht in der anderen Hand, des vor den Bauch im rechten Winkel zur Stütze gehaltenen Unterarm. Diese Figur trägt die Nummer AR04.
Liebe Anette: was Du da hingezaubert hast ist atemberaubend schön!
James in England hat seine Lidija in die Mitte von drei rothaarigen Powerfrauen gestellt; zurückhaltend, sexy, geheimnisvoll. Links von ihr eine Ira. Die Figur auf der rechten Seite kann ich nicht genau identifizieren.
Aus Platzgründen habe ich meine Lidija AR04 verkauft.
Alleine schon infolge des Abplatzers der Farbe am Po muss sie vollkommen neu coloriert und überarbeitet werden (Make-over). Dies wird möglicherweise die neue Besitzerin der Lidija in Auftrag geben.
Manchmal gibt es Momente im Leben, in denen das intuitive innere Gefühl stärker ist als der rationale Verstand, nach dem ich eigentlich hätte nach Hause fahren sollen. Ich tat es nicht und fuhr einen kleinen Umweg, mit dem Ziel, bei einem Brockenhaus vorbei zu schauen, das ich gut kenne und seit Jahrzehnten Stammkunde bin. Aber diesmal habe ich nichts gebraucht, sondern bin einfach diesem Gefühl gefolgt, das ich inzwischen zu deuten wisse. Ich betrat das Geschäft und von weitem sah ich sie, angezogen in einer Tracht mit Schlapphut verhüllt. Schon auf diese Distanz erkannte ich sofort, dass es sich um eine New John Nissen / Schläppi aus der „Beauties“-Serie handelte, mit dieser sehr eigentümlichen Armstellung und Körperhaltung mit hohem Wiedererkennungswert. In meiner Erinnerung tauchte das Bild eines Schweizer Sammlers auf, der u.a. auch eine „Liberty“ A5 besass, welches ich im Juni 2017 im Internet entdeckte.
Die hier abgebildete New John Nissen-Figur wurde zum Verkauf ausgeschrieben, ohne Angaben über dessen Hersteller, oder der Serie, lediglich mit dem Zusatz: “ inhabituelle position cambrée“. Tatsächlich ist diese Position, wie oben erwähnt, sehr ungewöhnlich, nach hinten geneigt, mit hohlem Kreuz. Mangels detaillierter Kenntnisse nannte er sie „Angie“, in Anlehnung an die Ballade von der Popgruppe Rolling Stones, was auch die Gitarre und das Leibchen assoziieren soll.
Aus der Nähe erkennt ein versierter Sammler sofort das etwas ernste, kantige Gesicht der „Jenny“, mit den geöffneten Augen und dem geschlossenen Mund.
Mit der klassischen Herbst- / Wintermode von 1986 zusammen eher gewagt, aber sehr auffällig und gekonnt gestylt: die an den damals aktuellen New Wave Look angepasste Perücke (s. Bild oben). Die Frisuren waren wild und extravagant. Welches Mannequin könnte dies besser präsentieren, als die „Leslie“ mit der Nummer PW 6, von New John Nissen?
Schöne Katalogaufnahme von „Grace“ mit offenem Mund und geschlossenen Augen und einem echten, männlichen Model mit cooler Lederjacke. Sehr sinnlich und toll gestylt (PW 11)!
Leslie darf vorne auf dem Beifahrersitz mitfahren…….
Unter den kritischen Blicken ihrer neuen Freundinnen (links Gisela Mindt) präsentiert sie sich selbstbewusst. Kurze „Wareneingangskontrolle“ von mir: ausser einen wirklich geringfügigen Lackschaden am Kinn, seitlich der Nase und auf der Lippe, gibt es nichts zu beanstanden. Die 35 Jahre alte Figur ist in einem Topzustand und befand sich laut Aussagen der Verkäuferin jahrzehntelang in einem Schuppen.
Die Augen bestätigen diese Information. New John Nissen und Schläppi verwendeten in den späten 70er- und 80er-Jahren einen Klarlack als Überzug bei den Augen, der nicht UV-resistent war (wie ich in meiner These vermute und hier im Blog schon an anderer Stelle erwähnte. Deshalb sind Augenweiss bei Figuren, die im Schaufenster der starken UV-Strahlung des Sonnenlichts ausgesetzt waren mit zunehmendem Alter vergilbt. Die Leslie war in einem lichtgeschützten Schuppen. Deshalb die helle noch weisse Farbe in den Augen.
Meine New John Nissen / Schläppi Nr. L10 eignet sich hervorragend für das Tragen von erotischer Reizwäsche. Bei dieser Serie ist der Beckenknochen in der Hüftgegend sehr naturalistisch modelliert, so wie die Hände, Füsse und die Brustwarzen. So sieht dieser Straps-Hüftgürtel in Lack und Glanzoptik mit dem Mannequin zusammen sehr echt aus.
Im Vergleich mit dem Katalogfoto erkennt man sofort, dass die Hände nicht richtig sind. Sie stammen von einer anderen Figur, vermutlich von der L14, und wurden verwechselt, als sie von einem Vorbesitzer zusammengesetzt wurde. Obwohl diese gespreizten Finger in dieser Stellung unnatürlich wirken, stören sie mich nicht besonders….
Irritierend ist vielmehr die eingravierte Seriennummer im linken Arm. Da steht L5. Aber die L5 hat eine völlig andere linke Armstellung. Der rechte Arm ist korrekt, angewinkelt und mit der Nummer L1.(Punkt in der Mitte anschliessend) versehen, was einer 0 (Null) entspricht.
Dieser Text vom November 2018 wird demnächst dem neuen Kenntnisstand des Autors vom 25.08.2020 angepasst und mit Bildmaterial ergänzt!
Korrektur der Liste…. (30.05.19)
„Ich habe eine M7 zuhause.“ Dieser Satz wirkt auf einige Sammlerinnen und Sammler von Schaufensterfiguren beinahe elektrisierend, denn diese Bezeichnung gehört nicht nur zu einer Seriennummer eines schnittigen BMW’s aus der oberen Preisklasse, wie man zunächst annehmen könnte, sondern auch zu einem Rootstein-Mannequin von 1983. Diese Figur ist sehr rar und deshalb sehr gesucht. Einige finden dieses Modell mit dem Namen GEO aus der Serie „Runway GEO“ von Adel Rootstein mit der Seriennummer M7 aussergewöhnlich schön. Ich besass sogar zwei M7, die aber defekt waren und so machte ich aus beiden eine ganze Schaufensterfigur. Sie ist natürlich schon sehr schön. Trotzdem ziehe ich eher weichere, femininere Züge um Kinn und Mund vor, wie bei der Fiona aus der selben Serie. Im ganzen sind es 10 unterschiedliche Figuren in dieser Serie und drei Laufsteg-Models: GEO, Kathy Davies und Fiona Hamilton (s. Bild unten):
Die Zuordnung der Namen zu den Seriennummern erfahren wir aus einem Post von Danny Letton, als Hinweis zu einem Bild auf „flickr“ von Chase Connery:
Bei den oberen Bildern sieht man das etwas stark und energisch hervorgestellte Kinn und die hohen Wangenknochen sehr gut. Ralf stylte die M7 zu einer Amy Winehouse und schminkte sie dezent, was ihr Gesicht viel weicher erscheinen lässt. Braune „Rehaugen“ passen natürlich gut zu ihr. Für EUR 1099.- war sie auf Ebay ausgeschrieben.
Lady in red. Interpretation von Bob H. (oben). Nun hat aber ein Sammler (DollAddict – Steven Parker) eine Adel Rootstein Runway GEO, GEO M7 komplett restaurieren lassen, inklusive den Glasaugen, die die Figur lebensecht aussehen lässt. Das sog. „Make over“ wurde in den USA von der Manufaktur „Dash ’n‘ Dazzle“ angefertigt.
Wenn man wie Megan Fox zu den erotischsten Frauen der Welt gehört und eines dieser berühmten Schönheitsideale des 21. Jahrhunderts verkörpert, dann wird man im selben Atemzug mit Heidi Klum, Scarlett Johannson, Charlize Theron genannt, die allesamt in manchem Männer-, aber auch Frauentraum schon vorgekommen sind. Die Traumfrau Megan Fox wurde vom Männermagazin FHM 2008 zum erotischsten weiblichen Wesen der Welt gewählt, weshalb diese Schauspielerin auch zum begehrten Fotomodell wurde.
Die Zeitschrift „Interview“ veröffentlichte in der Juni/Juli-Ausgabe 2010 einige Fotos in einer sehr kunstvoll arrangierten Szene, in welcher Megan Fox mit ihrem Mannequin-Double in erotischen Posen gezeigt wird. Dem Fotografen Graig McDean ist dabei ein wahres Kunstwerk gelungen.
Ergänzung vom 06.06.2020: ein Youtube-Video mit bewegten Bildern als „Making of“ von diesen Szenen gefilmt. In schlechter Qualität zwar, aber trotzdem sehr interessant!
Dieser Text von November 2018 wird in Kürze dem heutigen Kenntnisstand des Autors vom 25.08.2020 angepasst und mit Bildmaterial ergänzt!
Auch bei Schaufensterfiguren gibt es Traumfrauen und „Gabriella“ von Almax gehört ganz sicher zu ihnen. Ihr Name ist nicht gesichert und mein Wissensstand beschränkt sich auf die Information, dass es eine eigene Serie unter ihrem Namen gegeben habe und sie eine reale Person gewesen sein soll, die Modell stand (was bei Almax eher unüblich war).
Ob mit blondem gelockten Engelshaar, oder Kurzhaarfrisur; Gabriella hat einfach dieses gewisse Etwas, das die Blicke auf sie zieht und man an ihren sinnlich leicht geöffneten Lippen hängenbleibt.
Jeannette hat die seltene Sitzende und zwei stehende Figuren.
Als ich vor rd. 8 Jahren durch die Winterthurer-Altstadt schlenderte, sah ich in einem Schaufenster dieses Gesicht, mit dem Schmollmund, das mich sehr an Brigitte Bardot erinnerte. Ich verhandelte und kaufte schliesslich diese schöne Schaufensterfigur. Erst später erfuhr ich ihren Namen: Gabriella!
Adrian von Mannequin Makeovers in England hat eine Gabriella von Almax komplett restauriert und Glasaugen eingebaut. Da bleibt einem ja beinahe die Luft weg! Sie sieht einfach umwerfend und sehr naturalistisch aus:
Weltweit kämpft man gegen Fälschungen und illegale Kopien von Markenprodukten. Die Berühmteste ist wohl die Rolex-Uhr. Der Wirtschaft wird so grossen Schaden zugefügt.
Auf ironische Weise prämiert man jährlich mit dem „Plagiarus“-Preis Produkte, die in Bezug auf ihre Ununterscheidbarkeit und Ähnlichkeit geprüft werden. Das Küchengerät „Nicer Dicer Plus“ belegte dieses Jahr Platz 1. Eine chinesische Firma ist für den exakten Nachbau (im unteren Bild rechts) verantwortlich. Das Original (links im Bild) wird von der Firma Genius GmbH in Deutschland hergestellt. Wie genial dieses Küchengerät ist, kann ich nicht beurteilen, doch scheint es attraktiv genug zu sein kopiert zu werden, was ihm eine gewisse Güte zuspricht. Bei Mannequins ist dieses marktstrategische Phänomen auch zu beobachten. Asiatische Billigkopien von hochwertigen Schaufensterfiguren, die in den berühmten, europäischen Manufakturen hergestellt wurden, beschränken sich meist auf einzelne, besondere Exemplare und nur bei der „Angie“ von Hindsgaul um Teile einer speziellen Serie. Inwieweit sich bei der Loutoff ROS2 ein Klon von Hindsgaul „La Femme“ 8812 feststellen lässt, zeige ich weiter unten im Text.
Das Küchengerät „Nicer Dicer Plus“ (links Original) wurde von einer chinesischen Firma kopiert (rechts) und erhielt von einer Jury die Auszeichnung „Plagiarus 2018“, für das beste Plagiat im laufenden Jahr.
Selbst beim Kopieren von Schaufensterfiguren kennen die Kopierer aus Zentralasien keine scheu. Auch wenn sie unter einem eigenen Label und mit eigener Seriennummer produziert und vertrieben werden, sieht man bei einigen sofort, welches Mannequin dahinter steckt. In der Regel ist die Kopie aber nicht besser als das Original. Anhand der Loutoff ROS2 werden wir eines Besseren belehrt, denn unter vorgehaltener Hand hat schon der eine oder andere Sammler leise zu mir geflüstert: „Bei dieser Figur ist die Kopie besser als das Original….“
Bei der Hindsgaul-Serie „La Femme“ herrschen unter den Sammlern unterschiedliche Meinungen. Den Einen gefallen diese Glubschaugen, die hervorstehenden Nasenflügel, die wie Pferdenüstern wirken, und dieser spitz zulaufende Mund ganz und gar nicht und sie sprechen von „einem Fehlgriff“ der Firma anfangs der 80er-Jahre, sogar vom Beginn des Untergangs nach der sog. „goldenen Ära“ von Young Look, International & Co.
Andere beschreiben den Blick als „leidenschaftlich“, schwärmen von der edlen Schönheit und dem leidenschaftlichen Blick. Dieses Mannequin polarisiert eindeutig. Doch es gibt eine Ausnahme. Sie heisst „La Femme“ mit der Nummer 8812, und ist jene Figur mit der wunderbaren Geste, bei welcher sie sich mit der rechten Hand an den hohen Absatz des rechten Schuhs, bzw. an die Ferse fasst.
Die Figur von Hindsgaul, aus der Serie „La Femme“ mit der Nummer 8812 besitzt eine optisch sehr attraktive Pose
Während bis in die 50er- und frühen 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts die Mannequins teilweise steif wie eine Litfasssäule zum ankleiden wirkten, veränderten sie sich im Ausdruck und in den Posen in den Folgejahren zu Figuren, die in einer Bewegung quasi „eingefroren“ wurden, welche die emotionale Vielfalt in unseren Träumen und in der Welt unserer Gedanken freisetzen sollte. Offenbar überprüft die „La Femme“ mit der Nummer 8812 mit dem Zeigefinger der rechten Hand das Riemchen um ihre Fesseln des rechten Fusses und hält dazu das rechte Bein angewinkelt hoch, um besser ihr Vorhaben umsetzen zu können. Sie sieht über die Schulter seitlich an diese Stelle hinunter und ist auf ihre Absicht konzentriert. Den Betrachter nimmt sie dabei nicht wahr. Dieser fühlt sich in diesem Moment unbeobachtet, bleibt stehen, versucht zu erraten, weshalb die Schaufensterfigur in dieser Position verharrt und die Phantasie beflügelt danach alle Varianten der Vorstellungskraft, warum sie dies tut und wie die Bewegung zu Ende geführt werden würde. Hindsgaul verstand es im Jahr 1982 einen wahren Eye-Catcher auf den Markt zu bringen: die „La Femme“ 8812, welche Jahrzehnte danach von der asiatischen Firma Loutoff kopiert wurde.
Schaufensterfigur der 50er-Jahre von der Firma Bonaveri, die in einem Kaufhaus in Berlin stand, um Kleider zu präsentieren. Sie wirkt ein wenig wie eine Litfasssäule, die angekleidet werden kann, ganz im Gegensatz zu späteren Modellen führender Hersteller von Mannequins
„Don’t you wish you could just freeze time?“ („Würdest Du Dir wünschen, einfach die Zeit einfrieren, anhalten zu können?). Diese Frage stellte die Trendanalystin Gabrielle Mixon am 18. November 2016 in ihrem Blog und äusserte sich zu dem im Internet seit Oktober 2016 entstandenen Hype aus den USA, der sich über die sozialen Medien rasant über die gesamte Welt verbreitete und unter dem Begriff „Mannequin Challenge“ bekannt wurde.
Das Ziel von „Mannequin challenge“ ist es, einem Zuschauer den Eindruck zu erwecken, es handle sich bei einer völlig regungslos in ihrer Bewegung verharrenden Gruppe von Menschen um Schaufensterfiguren. Im Grunde ist es eine Art stille Performance, bei welcher aber nicht eine handlungsbetonte, vergängliche, künstlerische Darbietung von einem Performer im Vordergrund steht, sondern man selbst als Beobachter von einer situationsbezogenen Handlung ist. Unter normalen Umständen sind Bewegungsabläufe einzelner Personen, oder ganzer Gruppen zu erkennen, nicht aber ganzer Geschehnisse. Ursprünglich mag der Wunsch und der Gedanke gestanden haben, ein Ereignis in der Zeit anzuhalten, um sich für einen Moment und in aller Ruhe innerhalb einer einzelnen Szene der sich verändernden, vergänglichen Gegenwart aufzuhalten. Vielleicht steckt in diesen Veranstaltungen der unausgesprochene Wunsch nach einer entschleunigten Zeit, der in Bezug auf die heutigen, immer kurzlebiger werdenden Entwicklungen steht und vielleicht „Mannequin Challenge“ auch als Signal zum Innehalten verstanden werden kann. Jedenfalls tun dies die Schaufensterfiguren. Die „La Femme“ 8812 scheint in ihrer Absicht das Schuhriemchen an ihren Fesseln zu überprüfen nicht gestresst zu sein.
Die Hindsgaul „La Femme“ 8812 wurde von der Firma Loutoff unter der Bezeichnung ROS2 kopiert; hier mit sexy Outfit. Aber diese Mundstellung, die Nase, das ganze Gesicht finden nicht alle Sammler schön….
Wie weiter oben schon erwähnt, gefällt mir das Gesicht der Hindsgaul „La Femme“ ganz und gar nicht. Ihre Pose hingegen sehr. Massimo (Chee Pow auf flickr) hat von ihr unter dem Titel „Dancing shadow“ sehr schöne Fotos gemacht.
Foto von Massimo (Chee Pow in flickr). Unter dem Titel „Dancing shadow“ gelangen ihm sehr schöne Bilder des Plagiats vom Hindsgaul-Mannequin von 1982, das mit der Nummer 8812 zur Serie „La Femme“ gehört und von Loutoff unter der Bezeichnung ROS2 Jahre später kopiert wurde.
Ist aber die Loutoff ROS2 tatsächlich ein Klon, eine identische Kopie von der Hindsgaul Schaufensterpuppe? Nein. Was sind die 6 entscheidenden Unterschiede:
a.) Das Original hat einen geraden, linken Arm, der etwa in einem 45° Grad-Winkel zur Körperachse geneigt ist, während bei der Kopie man einen angewinkelten Arm sehen kann.
b.) Die Beine bei der Hindsgaul 8812 sind in der Mitte geteilt, während bei der Loutoff das rechte Bein mittels Bajonettverschluss in den Beinstumpf am Becken eingedreht werden muss.
c.) An der rechten Hand des Originals steht der Zeigefinger gestreckt hervor. Bei der Loutoff-Figur sind alle Finger nach innen gebogen.
d.) Die Körbchengrösse, bzw. die Brustform der „La Femme“ ist eher klein und knapp ein 75B. Der Busen der ROS2 ist üppiger.
e.) Wie bei allen Mannequins von Loutoff sehen die Kniekehlen sehr unnatürlich aus und so, als ob ein Plastikrohr in warmem Zustand gebogen wurde, mit entsprechenden Deformierungen.
Eine Detailaufnahme der Kniekehle bei der Loutoff ROS2 zeigt eine Art gequetschte Form, wie wenn ein angeheiztes Plastikrohr gebogen wurde.Eine Loutoff ROS2 Schaufensterfigur an der Poledance-Stange. Markant sind der linke Arm, die rechte Hand, die Beine, der Busen und die Kniekehle, welche alle samt anders geformt und gebaut wurden wie bei der originalen Schaufensterpuppe von Hindsgaul.
Im Gegensatz dazu sind die in einer Form gegossenen Beine von Hindsgaul realistischer, vor allem im Bereich der Kniekehle.
Das rechte Bein der Hindsgaul-Figur aus der Serie „La Femme“ mit der Nummer 8812 zeigt eine deutlich realistischere Formgebung im Bereich der Kniekehle, als bei der Loutoff-Kopie ROS2
f.) Zuletzt sei hier noch die gesamte Verarbeitung der Mannequins im Vergleich erwähnt und einander gegenüber gestellt. Die Schaufensterfiguren von Hindsgaul wurden in den 70er- und 80er-Jahren sehr massiv gebaut, weshalb sie auch widerstandsfähiger und viel schwerer als ihre Kopien sind. Loutoff-Figuren sind leicht und dünnwandig. Bei einem Sturz treten gravierendere Schäden auf, als beim Original. Nicht selten wird die Figur von Loutoff unbrauchbar und muss ersetzt werden, während jene von Hindsgaul wieder instandgesetzt und repariert werden können. Die mindere Qualität wirkt sich auch auf den Preis aus, weshalb für eine Loutoff gerade mal EUR 90-99.- bezahlt werden muss und die Versandspesen dabei noch eingerechnet sind, während eine Hindsgaul Originalfigur nur äusserst selten zum Verkauf angeboten wird.
Ich hätte im Juni dieses Jahres einmal die Möglichkeit gehabt die Hindsgaul „La Femme“ mit der Nummer 8812 zu kaufen, wobei sogar die Originaletikette und die gestempelte Nummer auf der Innenseite der Hüftverbindung vorhanden gewesen wären. Aber die linke Hand fehlte, die zwar auf dem Foto des Inserates zu sehen war, aber jener private Verkäufer hatte fälschlicherweise die rechte Hand am linken Arm montiert, was er über längere Zeit nicht bemerkte, bis ich ihn darauf aufmerksam machte, als ich diese Figur kaufen wollte, u.a. im Gedanken, allenfalls einen Headchange mit einer „International“ von Hindsgaul durchzuführen. Doch ich liess die Idee fallen; und ich zögere noch heute, obwohl ich wieder die Möglichkeit hätte, sowohl eine ROS2 und eine 8812 zu kaufen….
Stolz und edelmütig blickt sie über die rechte Schulter, hingegen so unprätentiös, dass das britische Supermodell in einer besonderen Art des landesüblichen Understatements in Adel Rootsteins „Calendar girls“-Serie auftritt, in einer auffallend unauffälligen Pose. Seit ich im Internet Bilder von Saffron Aldridge als Mannequin gesehen habe, liess mich diese Figur, dieses spezielle Gesicht nicht mehr los und ab und zu ging mir dieser Name durch den Kopf.
„Her face is very elegant and sophisticated“ schreibt ein englisches Verkaufsportal in ihrer Beschreibung des Mannequins.
Hinweis: aufgrund eines Fehlers beiden Recherchen zur Saffron, ist der nachfolgende Textteil nichtig geworden und wurde von mir gelöscht. Bei Gelegenheit entsteht hier der angepasste Text zu Saffron Aldridge, dem Modell aus England.
Leere, von viel Tageslicht durchflutete, alte Fabrikgebäude: welcher Modefotograf hat nicht schon von solchen Locations geträumt und dort seine kreativen Ideen umgesetzt. Welcher dieser Profis war noch nicht nervös, wenn die Models, Visagisten und Stylisten, sowie Assistenten sich im Trubel vor der abendlichen „goldenen Stunde“ gegenseitig auf die Füsse treten und zwischen dem emsigen Treiben ‚mal eine gellende Anweisung mit mehrmaligem Echo durch die Hallen ertönt, vom Chef persönlich, dem Fotografen, der die gesamte Verantwortung trägt? Dieses obige Foto erinnert mich an solche Momente, die ich als junger Mode- und Werbefotograf erlebte, diese unbeschreibliche Atmosphäre erleben durfte. Poka Zsoltmann hat sie perfekt eingefangen, statt mit richtigen Models, mit Mannequins von Adel Rootstein aus Fiberglas.
Adel Rootstein, Serie „Secrets“, Samuel & Tillie
Ausser bei der linken Hand der Frau, mit der sie seitlich den Kopf des Mannes hält, wäre sonst nur schwer erkennbar, dass es sich nicht um echte Menschen handelt, so echt und nahe an der Realität wirken diese Schaufensterfiguren. Sie sind vom Profifotografen in ein perfektes Licht gestellt worden, welches in beeindruckender Weise der Figur Geltung verleiht. Die Szene ist sehr gut gewählt, phantastisch arrangiert und fotografiert. Das ist hohe Kunst!
Adel Rootstein, Serie „Secrets“, SE24 Maria
Das Styling ist von der Scheitel bis zur Fusssohle genau durchdacht und abgestimmt. Bravo!